VON RICHARD KEHL | 24.03.2014 13:15

Snowpiercer: Im Apokalypse-Zweiklassengesellschafts-Zug nach Nirgendwo

In einer nicht allzu weit entfernten Zukunft wurde der globalen Erderwärmung Einhalt durch ein in die Atmosphäre geschossenes Kältemittel geboten. Allerdings löste das Mittel eine neue todbringende Eiszeit aus: Die Menschen erfroren, die letzten Überlebenden flüchteten sich in einen Zug, der seitdem, ohne anzuhalten, sich seinen Weg um die vereiste Erde bahnt.

Ein Zug an sich, ist ja in der Regel bereits in verschiedene Klassen aufgeteilt. In Snowpiercer dient dieser als Analogie für ein in sich geschlossenes Staatssystem: eine eigene Art von Mini-Diktatur. In diesem Mikrokosmos leben im hinteren Teil die Ärmsten der Armen - das letzte Abteil bildet den Gefängnistrakt. Je näher man zum Anfang des Zuges kommt, desto reicher und luxuriöser wird das Ambiente und die dazugehörigen Gesellschafts-Schichten. Die Ärmsten dagegen werden von den Herrschenden des Zuges mehr schlecht als recht am Leben erhalten und schikaniert. Eine geplante Revolte soll dies ändern.

Fantasy-Literatur

Unter der Führung von Curtis (Chris Evans) wird der Gefangene Namsoong (Song Kang-Ho) befreit, der als Einziger die Türen im Zug öffnen kann. Abteil für Abteil soll der Zug von den Ärmsten erobert werden. Doch je näher man dem Ziel kommt, desto mehr Überraschungen und Enthüllungen kommen ans Licht.

Das Comic Snowpiercer diente dem Koreaner Bong Joon-Ho als Filmvorlage. Das Ergebnis kann man durchaus als eine ist eine Arthaus-Blockbuster Mischung bezeichnen: klaustrophobisch, actionreich, phantastisch, satirisch, intelligent und sozialkritisch zugleich.

Snowpiercer hält unserer Gesellschaft mit sozialkritischen Dialogen, markigen Herrschafts-Sprüchen den Spiegel vor, zieht somit bewusst Parallelen zur heutigen politischen Weltlage und ihren Zweiklassengesellschaften. Ähnlich wie in „Die Tribute von Panem“ werden sozial-gesellschaftliche Unterschiede mit Hilfe von Kleidung und Make-Up visuell verstärkt. Die Armen werden meist verschmutzt, zerlumpt und Grau in Grau dargestellt, die sozial besser gestellten Schichten in einer Art Lady Gaga Look: schrill bunt, mit extravaganten Designs und übertriebenem Make-Up.

Snowpiercer ist kein reiner Actionfilm, vielmehr zeichnen ihn die sozialkritischen und intelligenten Dialoge aus: “Das Ende und die Spitze der Gesellschaft haben schon immer zusammengearbeitet, damit alles im Gleichgewicht bleibt“ oder auch wie Tilda Swinton im Film sagt: „Ihr gehört zum Ende der Gesellschaft, ich zur Spitze, jeder muss wissen, wo sein Platz ist.“

Harvey Weinstein, von der Weinsteingroup möchte den Film noch gerne kürzen, die Diaologe beschneiden, ihn acitonlastiger werden lassen. Böse Zungen behaupten auch, dass der Film sonst zu intelligent und sozialkritisch für die USA wäre. In Europa ist er zumindest ungeschnitten zu sehen, und das ist gut so. Snowpiercer ist schlicht koreanisch klaustrophobisch, phantastisch, intelligente Science Fiction Filmkunst.



Filmstart: 03.04.14

Hauptbesetzung: Ed Harris, Jamie Bell, Chris Evans, Tilda Swinton, Song Kang Ho, John Hurt