VON JASCHA SCHULZ | 26.03.2015 13:07

Shareness – Die neue Lust am Teilen

Die Nachhaltigkeit des Kaufs spielt beim Erwerb von Gütern eine immer größere Rolle in Deutschland. Aus diesem Grund werden Strategien angewandt, die das gemeinsame Nutzen von Ressourcen beinhalten. Der unter dem Begriff Shareness gefasste Trend ist dabei mittlerweile in fast allen Bereichen des täglichen Lebens zu beobachten.






„Das ist meins!“

Das Verlangen nach Eigentum, nach etwas, das ‚ganz alleine mir‘ gehört, wird von vielen als menschliches Grundbedürfnis angesehen. Zudem gibt es immer wieder Stimmen, die das private Eigentum als Anker und „Heiligtum“ des westlichen Wohlstands ansehen. Eine Infragestellung des Besitztums würde nach dieser These zu einem Zusammenbruch der gehobenen Lebensqualität in den Industrienationen führen.

Der neue Trend „Shareness“ zieht beide Positionen in Zweifel. In immer zahlreicheren Sparten zeigen sich Menschen bereit, erworbene Dinge zu teilen oder Nutzung und Erwerb generell zu trennen.

World Overshoot Day

Exemplarisch für die mangelnde Ressourcenauslastung gelten für viele die rund 44 Millionen Autos, die sich in Deutschland in privatem oder öffentlichem Besitz befinden. An einem gewöhnlichen Wochentag ist ein Großteil der Fahrzeuge nur für eine geringe Zeit in Gebrauch. Umweltschutzorganisationen und Stadtentwicklungsprojekte fordern deshalb Lösungen, um diesen verschwenderischen Umgang mit der Ressource Auto zu stoppen. Eine Alternative zum Privatauto stellt etwa das Car Sharing dar, wobei ein Fahrzeug von mehreren Menschen genutzt werden kann. Nach einer Fahrt ist das Fahrzeug unmittelbar wieder für die nächste freigegeben, da das Auto lediglich von der letzten Parkstelle abholen werden muss. Auch das eigene Auto kann mittlerweile anderen Menschen bei Nicht-Benutzung zur Verfügung gestellt werden. Die Internetseite Nachbarschaftsauto.de bietet beispielsweise die Möglichkeit, zu veröffentlichen, wann ein Fahrzeug nicht benötigt wird und wo es in diesem Zeitraum abgeholt werden kann.

Immer mehrere sind sogar bereit, den eigenen Wohnraum zeitlich begrenzt anderen zur Verfügung zu stellen. Airbnb oder Couchsurfing sind nur zwei der zahlreichen Online-Plattformen, die sich hierauf spezialisiert haben. Zugute kommt das vor allem Gruppen von Menschen, die sich nur für eine gewisse Zeit in einer anderen Stadt aufhalten, wie etwa Reisende. An dieser Bereitschaft, selbst privateste Dinge wie das eigene Auto oder den eigenen Wohnraum zu teilen, wird häufig ein Wandel der Werte hin zu mehr Offenheit und Freundlichkeit gegenüber Fremden festgemacht. Allerdings ist offenkundig, dass die kurzzeitige Vermietung des Wohnraums oder des Autos auch einen finanziellen Anreiz bietet.

Vor allem die junge Generation nutzt Shareness-Konzepte. Dies wird gerne mit der eminenten Rolle des Internets für diese Generation begründet. Da das Netz in vielen Bereichen auf dem Prinzip des Teilens aufbaut - sei es das Teilen von Informationen, Musik oder Texten – wird angenommen, dass junge Menschen auch bei materiellen Gütern häufig zum Teilen bereit sind.

Auch das kommunale Miteinander soll durch Shareness Strategien verbessert werden. Durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen sollen Menschen miteinander in Berührung kommen, die bisher zwar nah, aber auch fremd zueinander gelebt haben. Ein Beispiel hierfür bietet die Berliner Sterngartenodyssee. Rund 140 Menschen aus dem Berliner Raum bilden hier eine Versorgungsgemeinschaft. Die Beteiligten bezahlen dabei einen monatlichen Ernteanteil und verpflichten sich, drei Tage jährlich auf dem Bauernhof zu leben und zu arbeiten. Dafür können sie jederzeit auf die Gemüseernte des Hofs zugreifen.

Urbanen Problemen wie der Wohnungsknappheit wird ebenfalls durch gemeinsame Ressourcennutzung begegnet. Unter anderem wird das Konzept der Wohngemeinschaft ausgeweitet. Im Rahmen des Projekts „Yokohama Apartment“ werden in Japan zum Beispiel vier Kleinstwohnungen im Form von Minihäusern unter einem Dach versammelt. Der Raum zwischen den einzelnen Häusern hat keine genaue Nutzungsvorgabe und fungiert je nach Bedarf als Küche, Spielplatz, Arbeitsort, Garten oder Ruhezone.

Es ist anzunehmen, dass der anhaltende Bevölkerungszuwachs in den Städten die Entstehung von weiteren Shareness Strategien begünstigen wird. Auch der gesteigerte Mobilitätsbedarf und die stärker werdende Vernetzung der Menschen untereinander sind Indizien dafür, dass die nachhaltige Nutzung von Gütern und Ressourcen immer wichtiger wird.