VON NORA GRAF | 24.07.2015 13:41

Reporter ohne Grenzen verklagt den Bundesnachrichtendienst

Zensur, Einschränkung der Pressefreiheit, Überwachung der Medien – so etwas verbinden wir oft mit autoritären Ländern. Aber auch hierzulande sorgen sich Journalisten um die Pressefreiheit. Die Vereinigung Reporter ohne Grenzen (ROG) verklagt den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND), der ihrer Ansicht nach mit seiner Überwachungspraxis das Fernmeldegeheimnis verletzt. Die Reportervereinigung sieht durch das massenhafte Datensammeln die Möglichkeit zur freien Berichterstattung und letztlich ihre Rolle als vierte Gewalt in einer demokratischen Gesellschaft gefährdet.

Der Journalistenverband ROG setzt sich weltweit für Presse- und Informationsfreiheit ein und informiert die Öffentlichkeit über Verstöße gegen die Medienfreiheit. Er setzt sich vor allem für Journalisten im Ausland ein, oft in Krisenregionen, und unterstützt sie in heiklen Situationen. Nun kritisieren die Reporter aber auch die Machenschaften in Deutschland. Ihr Vorwurf: Der BND soll den E-Mail-Verkehr zwischen ROG mit seinen ausländischen Partnern ausgespäht haben. Am 30. Juni 2015 haben sie daher beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Klage eingereicht wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses.

Der Staatstrojaner

Konkret geht es dabei um die strategische Fernmeldeaufklärung aus dem Jahr 2013, im Zuge derer der BND in immer stärkerem Maße E-Mails und Telefonate auf Glasfaserleitungen und Netzknoten nach bestimmten Schlüsselwörtern durchsucht. Davon sind hunderte Millionen Mails betroffen und etwa 15.000 davon wurden näher untersucht, wie aus dem jährlichen Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom 8. Januar 2015 hervorgeht. In diesem Zeitraum unterhielt auch ROG Kontakt zu ausländischen Aktivisten, insbesondere in Staaten der ehemaligen Sowjetunion und des Nahen und Mittleren Ostens. Aufgrund der massenhaften Überwachung und der verwendeten Suchbegriffe ist es sehr wahrscheinlich, dass auch der Informationsverkehr der Reporter erfasst und bearbeitet wurde. Die Vereinigung prangert diese Praxis an und ist der Meinung, dass dieses Verhalten jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt. Das sogenannte G10-Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses decke diese Art der Datensammlung und -analyse nicht ab und diese müsse deshalb umgehend eingestellt werden.

Insbesondere der Informantenschutz sei dadurch nicht mehr gewährleistet. Whistleblower und wichtige Informanten würden abgeschreckt und inzwischen wieder vermehrt zum Telefon greifen. Diese Überwachungspraxis führe letztlich dazu, dass Journalisten bestimmte Recherchen nicht mehr durchführen könnten. Die Möglichkeit zur freien Berichterstattung und ihre Rolle als vierte Gewalt in einer demokratischen Gesellschaft sehen die Reporter daher bedroht.

Zu einer Gefährdung der Pressefreiheit trage auch das Verkehrsanalysesystem „VerAS“ bei, das der Journalistenverband ebenfalls anklagt. Denn mit diesem Programm sammelt und analysiert der BND seit 2002 auch Metadaten sämtlicher Kommunikationskanäle: Von Telefonverbindungen, SMS und E-Mails über Internetverbindungen und soziale Netzwerke. VerAS, das ursprünglich dazu eingesetzt wurde, Terrorverdächtige und deren Beziehungen auszuspähen, erfasst jeden Monat nach eigenen Angaben des BND etwa 500 Millionen Metadaten. Bei dieser riesigen Menge an Informationen ist anzunehmen, dass sich auch Verbindungsdaten von ROG in der Datenbank VerAS finden lassen. Das wiederum verletze das Post- und Telekommunikationsgeheimnis, ein festgeschriebenes Menschenrecht.

Durch seine Klage möchte der Reporterverband auch die Glaubwürdigkeit Deutschlands gegenüber autoritären Staaten wie China, Saudi-Arabien oder Turkmenistan stärken. Denn es erscheint schon etwas paradox, wenn ein Land wie Deutschland – das im Jahr 2013 die UN-Resolution „Right to Privacy in the Digital Age“ mit auf den Weg gebracht hat – nun die gleichen Verfahren der massenhaften Ausspähung ihres Volkes anwendet, wie jene Staaten, die eben diese Bundesregierung zur mehr Achtung der Pressefreiheit aufruft.