VON CLEMENS POKORNY | 24.09.2015 13:19

Von Roten, Schwarzen, Gelben und Grünen – Politik ist bunt

Jahrhundertelang blieb die kräftige Farbe Rot der Oberschicht vorbehalten. Seit dem 18. Jahrhundert hat sich das völlig geändert. Doch erst seit Ende des 2. Weltkriegs symbolisieren Farben in Deutschland die dazugehörigen, großen Parteien. Dabei hat der Zufall oft eine Rolle gespielt, und bis heute verändern die Parteien gelegentlich ihr farbliches Erscheinungsbild.

Dass linke Parteien rote Fahnen haben und Konservative als „Schwarze“ bezeichnet werden, war nicht immer so. Beispielsweise konnten sich, von der Antike bis in die Neuzeit hinein, nur die Reichen, also der Adel und der Klerus, die teure Farbe Rot leisten – und nur sie durften rote Kleidung tragen. Das dunkelrote bis violette Purpurrot konnte nur aus einem Drüsensekret der im Mittelmeer beheimateten Purpurschnecken gewonnen werden. Rot galt also bis in die frühe Neuzeit als Farbe der Elite. Das änderte sich mit der Französischen Revolution. Die Jakobiner setzten sich provokativ die nach ihnen benannten, mit einem verhältnismäßig billigen Mittel gefärbten roten Mützen auf, die zum Symbol des Kampfes gegen die Unterdrückung durch den Adel wurden. Später entwickelte sich Rot über die Grenzen Frankreichs hinaus zur Farbe der Arbeiterbewegung. Von kommunistischen Aufmärschen mit ihren Fahnen in den 1920er-Jahren schaute sich auch Adolf Hitler die Wirkung der Farbe Rot ab, sodass sie zu einer der beiden wichtigsten Farben der NSDAP und des NS-Staates wurde – neben Braun, zu dem die Nazis zufällig kamen: Hitler hatte, lange vor der Machtübernahme der NSDAP, Stoff für die Uniformhemden seiner Parteisoldaten gesucht und konnte die nötige Menge besonders günstig in diesem Farbton erstehen.

Privilegien durch Erben

CDU und CSU wurden und werden dagegen seit ihrer Gründung kurz nach dem 2. Weltkrieg von ihren Gegnern als „Schwarze“ beschimpft. Man assoziierte mit dieser Farbe die Tracht der als konservativ empfundenen christlichen Kirche. Doch mittlerweile hat zumindest die Junge Union die Farbe mit dem Slogan „Black is beautiful“ angenommen. Die Christlich-Demokratische Union selbst verwendet einen auffälligen, roten Schriftzug für ihre Abkürzung, während die CSU sich ihr Blau von der bayerischen Fahne geholt hat und damit gleichzeitig in der Tradition europäischer Konservativer steht – neuerdings verwendet in Deutschland auch die rechtskonservative AfD diese Farbe. Auch die übrigen politischen Farben werden erst seit 1945 bestimmten Parteien zugeordnet: Die Kombination Gelb-Blau empfahl der FDP eine Werbeagentur. Dass die 1980 gegründete, ökologisch orientierte Partei die Farbe Grün wählte, lag auf der Hand und war eine gute Wahl, verbinden die Menschen mit Grün doch schon seit jeher Wachstum und Hoffnung. Orange wählten nach 2000 sowohl CDU als auch die Piratenpartei als historisch unbelastete Farbe. Und zur Bundestagswahl 2005 nutzte die SPD den Braunton (!) Umbra als Hintergrund.

Die politische Farbpalette hat sich also im Wesentlichen erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts herausgebildet und sich auch immer wieder verändert. Das liegt nicht zuletzt an der Entwicklung des Farbfernsehens und daran, dass erst nach dem 2. Weltkrieg Flugblätter, Broschüren etc. in großen Mengen zu erschwinglichen Preisen farbig bedruckt werden konnten. Seit nicht allzu langer Zeit also ist farblich einheitliches Auftreten für die politischen Parteien relevant. Die Parteien bedienen sich durch die Verwendung von Farben alter, unbewusster Assoziationen oder machen mit ungewöhnlichen, neuartigen Akzenten (Orange, Umbra) auf sich aufmerksam. Und wenn am Wahlabend die farbigen Balken und Kreissektoren angezeigt werden, erkennt man nicht nur die Mehrheitsverhältnisse auf einen Blick – sondern auch, wie bunt unsere pluralistische Demokratie zum Glück ist.