VON JASCHA SCHULZ | 20.05.2015 14:23

Petra Kelly – Jeanne D’Arc des Atomzeitalters

Petra Kelly kämpfte Zeit ihres Lebens für ihre Vorstellung von einer friedlichen und umweltfreundlichen Gesellschaft. Antrieb war ihr das Leid und die Ungerechtigkeit, die sie in so vielen Bereichen der Welt sah. Es gab beinahe keine soziale Bewegung der 70er, die Kelly nicht mitgeprägt und vorangetrieben hatte. In den 80ern wurde sie als Gründungsmitglied der Grünen bald das bekannteste Gesicht der Partei. Heutzutage findet sich wenig, das an Kelly erinnert.




Utopien sind für Träumer.

Dass dieser Satz nicht zutrifft, bewies Petra Kelly. Für ihre persönliche Utopie, von einer gewalt- und herrschaftsfreien Gemeinschaft der Menschen, tat sie alles. Sie war keine Träumerin, sondern eine Kämpferin.

Politikwissenschaft studieren...

Bereits während ihres Politologiestudiums in den USA schrieb sie Protestbriefe, wenn sie irgendwo eine Ungerechtigkeit sah. Zum Beispiel an den Senator Robert Kennedy, den sie 1968 beim Präsidentschaftswahlkampf unterstützte. Kelly beklagte, dass es für Ausländer keine Stipendien gebe. Ihre Aktion zeigte Wirkung. Kennedy sorgte persönlich dafür, dass sie eine Förderung bekam. Im Laufe ihres Studiums wurde Kelly sogar in die Studentenvertretung und zur Sprecherin der ausländischen Studenten gewählt. Ihr Slogan: „Vote for a strong woman“.

Als 1970 ihre Schwester an Krebs starb, ging Kelly zurück nach Deutschland. Sie gründete die "Grace P. Kelly Vereinigung zur Unterstützung der Krebsforschung für Kinder e.V."

Utopien treiben an.

Kellys Engagement war stets unermüdlich. Die Siebziger waren die Jahre der sozialen Bewegungen. Petra Kelly war stets vorne dabei. "Wenn sie in ihrer politischen Arbeit einen Schwerpunkt setzte, dann den, dass es keinen gab", ist ein Satz der gerne verwendet wird, um sie zu beschreiben. Sie zeigte Einsatz für den Umweltschutz, Frauenrechte, Tibet. Sie kämpfte entschlossen für die militärische Abrüstung der Staaten. Vor allem wurde sie zur wohl wichtigsten und bekanntesten Atomgegnerin der 70er. Man nannte sie die "Grüne Mutter Theresa", die die ganze Welt retten will.

Aus der SPD, in die sie erst 1973 eingetreten war, tritt sie 1979 wieder aus. Im März 1980 gründete sie mit Otto Schily und anderen die Grünen und übernahm das Amt der ersten Parteisprecherin. Ihr Aufstieg auf Bundesebene war rasant. Sie zog in den Bundestag ein, wurde 1983 Sprecherin der Fraktion. Ihre Themen, die sie in einem SPIEGEL-Interview im Juni 1982 aufzählte, blieben groß: "Kriegsgefahr, Rohstoffraubbau, Bevölkerungswachstum, Verelendung der Menschen".

Kellys hemmungsloser Idealismus stieß auf große Resonanz. Zu dieser Zeit bekam sie täglich an die hundert Briefe, neben Drohbriefen von Rechten, erhielt sie vor allem Zustimmung. 1985 schrieb eine Frau, Kelly sei "ein grüner Hoffnungsschimmer in dieser grauen trostlosen Welt". Auf der ganzen Welt würdigte man Kellys Einsatz. Sie traf unter anderem den Dalai Lama, Michael Gorbatschow und Erich Honecker. 1982 wurde Petra Kelly mit dem Right Livelihood Award geehrt, aufgrund ihres Engagements für Frieden und Konfliktlösung. 1983 wählte man sie in den USA zur „Frau des Jahres“.

Utopien können wehtun.

Utopien können alle Ressourcen aufbrauchen, die einem Menschen zur Verfügung stehen. Petra Kelly galt als ein Mensch, der kein Privatleben hatte. In allen Medien, auf Kongressen in der ganzen Welt, und in zahlreichen Ämtern vertreten, war es ihr stets unmöglich, zur Ruhe zu kommen.

Ihre schwindende Rolle in der eigenen Partei und auf öffentlicher Ebene gegen Ende der 80er musste für Kelly schmerzhaft gewesen sein. Sie distanzierte sie sich immer mehr vom realpolitischen Kurs der eigenen Partei, der mit der Professionalisierung der Grünen einherging. Sie fing an, ihre Partei öffentlich zu kritisieren, warf ihr nach dem Scheitern bei der Bundestagswahl 1990 menschliches Versagen vor. Als sie anschließend versuchte, sich zur Sprecherin im Bundesvorstand wählen zu lassen, erhielt sie lediglich 32 von über 600 Stimmen.

Petra Kelly wird in der Nacht zum 1. Oktober 1992 von ihrem Lebensgefährten, dem ehemaligen General Gert Bastian, im gemeinsamen Haus erschossen. Anschließend tötet Bastian sich selbst. Die genauen Hintergründe der Tat sind nicht bekannt. Allerdings sorgte die Geschichte der ‚verhängnisvollen Liebe‘ für ein mediales Echo, das Kelly gegen Ende ihres Lebens bereits lange nicht mehr erfahren hatte.

Donnerstag, 30. Juni 2011. Deutschland beschließt den stufenweisen Atomausstieg bis 2022. Kein Bild, kein Wort erinnert an die ehemalige „Jeanne D’Arc des Atomzeitalters“. Petra Kelly scheint vergessen.