VON CLEMENS POKORNY | 17.05.2016 16:08

Palmöl: Flüssiges Gold und Fluch der Tropen

Aus den Regalen der Lebensmittelhändler ist es nicht mehr wegzudenken: Palmöl, das Öl der tropischen Ölpalme. Leider hat sein Anbau sich in den letzten Jahren zum Regenwaldvernichter Nr. 1 entwickelt. Und da es keine besseren Alternativen gibt, bleibt verantwortungsbewussten Menschen nur, Palmöl zu meiden und ihre Einkaufs- und Konsumgewohnheiten zu ändern.

Mittlerweile ist es in nahezu jedem zweiten Supermarktprodukt enthalten: das Öl der Früchte der aus Zentral- und Westafrika stammenden Ölpalme. Seit den 1980er-Jahren wächst die Produktionsmenge immer schneller. Und aufgrund der weiter steigenden Nachfrage ist kein Ende des Booms in Sicht. Wir haben es alle schon einmal gekauft, denn es steckt in sehr vielen Produkten: Waschmittel, Seife, Duschgels und Shampoos, einigen Zahncremes, Speiseeis, cremigen Brotaufstrichen, Keksen, Fertiggerichten wie Tütensuppen und Tiefkühlpizzas, Margarine, Kerzen u.v.m. Und leider ist Palmöl aus ökologischer und Klimaschutz-Sicht eine Katastrophe.

Erst technische Fortschritte ließen in den letzten 35 Jahren die Produktion des flüssigen Goldes explodieren. Man lernte, besonders ertragreiche Sorten der bis zu 18 Meter hohen Bäume zu züchten und die schnell verderblichen Früchte rascher zu verarbeiten. So wurde die Ölpalme dreimal so ertragreich wie Raps und bringt heute gar sechsmal so hohe Ernten auf der gleichen Fläche wie die Sojabohne. Kein Wunder, dass Palmöl mit einem Marktanteil von 30% heute an der Spitze der Pflanzenöle weltweit liegt. Sein hoher Schmelzpunkt macht es streichfähig und geschmeidig, sein angenehmer Geschmack lässt es überall, wo Öl gefragt ist, zum Einsatz kommen und verleiht Margarine ein Butteraroma. Doch zu 27% wird Palmöl auch in der Industrie eingesetzt: Nicht nur zur Herstellung entsprechender Produkte (s.o.), sondern auch zur Energiegewinnung durch Verbrennung sowie als Bestandteil von „Biosprit“.

Palmöl kann also mit Fug und Recht als flüssiges Gold der Tropen bezeichnet werden – doch es ist zugleich deren Fluch. Denn die Ölpalme wächst nur in feuchtwarmem Klima, also genau dort, wo bislang noch Regenwälder stehen oder bis vor nicht allzu langer Zeit standen. Sie braucht zwar weniger Platz als Soja oder Raps, aber die hohe Nachfrage sorgt dafür, dass sich die lebensfeindlichen Monokulturen der Pflanze immer weiter ausdehnen: Alleine zwischen 2000 und 2015 wurden weltweit sechs Millionen Hektar Urwald nur für Palmölplantagen vernichtet (zum Vergleich: ein sehr großes Fußballfeld ist etwa einen Hektar groß). Dazu werden die Bäume gerodet und das Unterholz verbrannt. Vor allem aufgrund dieser Brandrodung stößt Indonesien derzeit nach den USA und China von allen Staaten am drittmeisten CO2 aus und befeuert so den Treibhauseffekt. Die Ölpalmen speichern weit weniger Kohlenstoffdioxid und bieten den Tieren, die im Urwald lebten, keinen Lebensraum. Ohnehin schon seltene Arten wie Waldelefant und Gorilla (in Afrika) bzw. Orang-Utan, Gibbon und Tiger (in Asien) geraten dadurch an den Rand des Aussterbens. Die Länder, in denen das Palmöl vor allem produziert wird – Indonesien und Malaysia, aber auch einige west- und zentralafrikanische Staaten wie Kamerun, Kongo und Uganda –, sind von korrupten und wenig rechtsstaatlichen Strukturen geprägt. Deshalb werden Naturschutzauflagen dort meist ebenso ignoriert wie die Rechte der im Regenwald lebenden Naturvölker, die in der Regel keine Besitzurkunden über die von ihnen z.T. seit Jahrhunderten bewohnten Gebiete besitzen und den Landraub durch meistens ausländische Konzerne somit oft zunächst hilflos mitansehen müssen.

Land Grabbing

Zum Glück bekommen sie dann nicht selten finanzielle und rechtliche Unterstützung von humanitären und Umweltorganisationen wie „Rettet den Regenwald“. Die ist angesichts der regelmäßigen Rechtsverletzungen seitens der Palmölproduzenten auch bitter nötig: Der weltweit größte Hersteller, Wilmar, ist alleine in Indonesien in 100 Land- und Menschenrechtskonflikte verwickelt. Natürlich gehört auch Wilmar dem „Roundtable on Sustainable Palm Oil“ (RSPO) an, einem von 2439 Mitgliedern (v.a. Firmen) getragenen Bündnis, das sich die nachhaltige Palmölproduktion auf die Fahnen geschrieben hat. Weiß man aber um die Realität (s. Wilmar), darum, dass ein Manager des Lebensmittelkonzerns Unilever dem RSPO vorsteht, darum, dass für RSPO der Klimaschutz kein Thema ist, und um die 256 Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen, die RSPO als Zweckbündnis der Industrie zum Greenwashing ablehnen, wird klar: RSPO hat nichts Wesentliches verändert und wird auch nichts ändern. Das kann nicht überraschen: Wirklich nachhaltiges Palmöl ist ja nicht im Interesse der Lebensmittelhersteller, weil es gegenüber dem konventionellen zu viel kosten würde.

Sollten wir also sofort eine Online-Petition gegen konventionelles Palmöl ins Leben rufen? Das Problem dabei wäre nicht nur die internationale Verbreitung von Produktion und Weiterverarbeitung. Es gibt derzeit schlicht kein Öl, das man guten Gewissens konsumieren könnte. „Rettet den Regenwald“ hat auch bei den Zulieferern der großen Bio-Produzenten Alnatura, Allos oder Rapunzel „schwere Unfälle und Leckagen, Wasservergeudung, Umweltverschmutzung, Rodungen und Landvertreibung von Kleinbauern“ festgestellt. Also bleibt verantwortungsbewussten Verbraucherinnen und Verbrauchern vorerst nur eine Möglichkeit: Auf Produkte verzichten, die Palmöl oder daraus hergestellte Produkte enthalten. Eine Liste zu den irreführenden Handelsnamen gibt's bei umweltblick.de. Leider muss man sich damit auch von den beliebten Nuss-Nougat-Aufstrichen (mit Ausnahme der „Nocciolata“ von „Rigoni di Asiago“) verabschieden. In vielen Fällen kann man aber auf Alternativen ausweichen bzw. selbst solche herstellen. Das wäre auch aus anderer Sicht besser: Immerhin ist Palmöl mit seinen vielen gesättigten Fettsäuren vergleichsweise ungesund. Ein französischer Student gibt hier Tipps dazu, welche Produkte man vermeiden und welche man stattdessen kaufen sollte. Eine umfangreichere Übersicht zu palmölfreien Produkten gibt es hier. Über das Thema Kosmetik und Palmöl klärt utopia.de auf dieser Seite auf. Vielleicht wird durch breiten Boykott des schmutzigen Palmöls ermöglicht, dass der traditionelle, nachhaltige Anbau der Ölpalme in ihrer Heimat Afrika weiter ausgebaut wird.