VON MAXIMILIAN REICHLIN | 01.04.2016 10:27

NPD-Verbot – Der Ausgang des Verfahrens bleibt ungewiss

Anfang vergangenen März verhandelte das Bundesverfassungsgericht an drei Verhandlungstagen mündlich über ein mögliches Verbot der NPD. Der Bundestag hatte bereits 2013 einen Verbotsantrag gegen die mutmaßlich rechtsextreme Partei eingereicht. Ein Urteil wird nicht vor Ablauf einiger Monate zu erwarten sein, der Ausgang des Verfahrens bleibt ungewiss. Vor allem die Frage, wie gefährlich die NPD letztendlich ist, ist für die Richter problematisch. Kritische Stimmen befürchten jedoch, dass auch ein Verbot die Probleme höchstens verschieben würde – hin zu erfolgreicheren Parteien wie der AfD. UNI.DE über den aktuellen Stand und die Geschichte des NPD-Verbotsverfahrens.

Auch nach dem dritten Verhandlungstag zum möglichen NPD-Verbot in Karlsruhe ist noch nicht abzusehen, wie das Bundesverfassungsgericht letztendlich entscheiden wird. Mehrere Mitglieder der Parteispitze hatten sich am 3. März den kritischen Fragen der Richterinnen und Richter stellen müssen. Hauptthema bildete dabei das umstrittene Parteiprogramm der NPD sowie mehrere offizielle Aussagen von Mitgliedern auf Wahlplakaten, Broschüren sowie auf der Homepage der NPD und in sozialen Netzwerken.

Die erkennbaren rechtsextremen und menschenverachtenden Äußerungen hatten den Bundesrat bereits 2013 bewogen, einen Verbotsantrag beim Verfassungsgericht einzureichen. Die NPD selbst hat nun vor dem Bundesverfassungsgericht versucht, die Vorwürfe in mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen zu entkräften. An insgesamt drei Tagen verhandelten das Gericht mit der NPD sowie den Vertreterinnen und Vertretern des Bundestages.

Die Befürworter des Verbots sind zuversichtlich, doch die Hürden sind hoch

Die Prognosen von Fachleuten sowie die mediale Berichterstattung zur Verhandlung zeichnen zwei recht unterschiedliche Bilder. Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) ist nach dem letzten Verhandlungstag am 3. März zuversichtlich, dass sich die NPD mit ausweichenden und widersprüchlichen Aussagen vor dem Verfassungsgericht selbst ein Bein gestellt haben könnte, die Journalistin Gigi Deppe von der Rechtsredaktion der ARD glaubt, ein Verbot der NPD sei dadurch „wahrscheinlicher geworden“.

Das Bundesverfassungsgericht selbst legt die Hürden für das Parteienverbot hoch an. Nach Ende der mündlichen Verhandlung müssen die Verantwortlichen zuerst prüfen, ob die vorgelegten Beweise gegen die NPD ein Verbot der Partei rechtfertigen. Zwar lasse sich im Programm der NPD eine menschenverachtende und demokratiefeindliche Ideologie erkennen, die auch eine große Schnittmenge mit dem Programm der NSDAP unter Adolf Hitler aufweise. Das alleine reiche aber noch nicht aus, um die Partei zu verbieten.

Auslegungsfragen könnten das Verbot verhindern

Problematisch ist aktuell vor allem die Frage, inwiefern die NPD und ihre Mitglieder die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik verletzen. Nur dann darf der Partei nach Artikel 21 des Grundgesetzes Verfassungswidrigkeit vorgeworfen werden. Hinzu kommt, dass ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auch vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof Bestand haben müsste, der ebenfalls enge Schranken für ein Parteiverbot setzt. Nur wenn eine Partei das demokratische Gefüge direkt bedroht, ist ein Verbot auch zulässig.

Ohne Angst verschieden sein

Bundesratspräsident Stanislaw Tillich ist als Antragssteller überzeugt davon, dass die NPD als „Scharnier zwischen verschiedenen rechtsextremen Kräften“ angesehen werden kann und betont noch einmal die mutmaßliche Verfassungswidrigkeit der Partei. Es sei daher vordergründig zu prüfen, ob die NPD beispielsweise mit jüngsten rechtsextremen Krawallen und Angriffen in Zusammenhang gebracht werden kann, etwa im sächsischen Heidenau oder im brandenburgischen Nauen.

Eine weitere gewichtige Frage im Verbotsverfahren ist die Frage nach der Relevanz. Gemessen an jüngsten Wahlergebnissen spielt die NPD kaum mehr eine Rolle in der deutschen Politik: Nur noch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist die Partei aktuell vertreten, kleinere Siege konnten außerdem in den Kommunalwahlen in Hessen verbucht werden. Ansonsten allerdings schrumpft die Partei, verliert sowohl Stimmen als auch Mitglieder. Ein noch im letzten Jahr geplanter Sprung in den Landtag von Sachsen-Anhalt misslang. Die Verfassungsrichterinnen und -richter werden sich in den kommenden Wochen also auch die Frage zu stellen haben, ob die NPD überhaupt noch groß genug ist, um überhaupt Schaden anzurichten.

Kritik am NPD-Verbot: Probleme werden nicht gelöst, sondern verschoben

Am Verbotsverfahren selbst werden vor allem außerhalb des politischen Betriebes kritische Stimmen laut. So könne man zwar, so ein journalistischer Beitrag auf dem Portal „Die Freiheitsliebe“, die NPD verbieten, rechtsextremes Gedankengut sei dadurch allerdings noch nicht ausgemerzt. Vielmehr bestehe die Gefahr, dass sich die Mitglieder der dann aufgelösten NPD in radikaleren Gruppen oder in anderen Parteien wie der ideologisch verwandten AfD ansiedeln könnten. Letztere verzeichnet, anders als die NPD, beträchtliche politische Erfolge und zog in den aktuellen Landtagswahlen bislang sowohl in den Landtag Baden-Württemberg, als auch in die Parlamente Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ein.

Eine geplante Allianz der NPD mit der AfD wurde bis jetzt von der letzteren immer verhindert. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass vor dem Hintergrund der sinkenden Mitgliederzahlen bei der NPD und der laufenden Verbotsverhandlung vor allem Imageschäden für die AfD verhindert werden sollten. Ein Verbot der NPD würde nun einerseits zu steigenden Mitgliederzahlen bei der AfD führen, als auch zu einer Verharmlosung des AfD-Programms, so wird auch befürchtet: Eine offizielle Einteilung in „verbotenes schlechtes“ und „erlaubtes gutes“ rechtes Gedankengut, könnte dem demokratischen Grundgefüge mehr Schaden zufügen, als es die NPD alleine jemals gekonnt hätte.

Schon der zweite Verbotsanlauf – Diesmal sind keine V-Leute involviert

Das aktuelle Verbotsverfahren ist bereits der zweite Versuch, die NPD durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklären zu lassen. Ein zu Beginn der 2000er Jahre von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat eingereichter Antrag scheiterte im Jahr 2003 an der Einstellung des Verfahrens durch die Richter. Der Grund: Sensible Informationen für das Verfahren stammten von angeworbenen V-Leuten innerhalb der Führungsebene der Partei und waren daher vor Gericht unzulässig. Damals stellte das Bundesverfassungsgericht die strikte Bedingung, dass im Falle eines zukünftigen Verbotsantrages unmittelbar vor und während des Verfahrens keine Mitarbeiter des Verfassungsschutzes innerhalb der NPD als Spitzel tätig sein durften. Diese Hürde erschwerte einen erneuten Antrag durch den Bundesrat bis 2013.

Ein Versuch der NPD-Vertreter, das Verfahren noch vor Beginn der Verhandlung aus den gleichen Gründen zu stoppen, misslang diesmal. So konnten Antragstellerinnen und Antragsteller nachweisen, dass keine der vorgebrachten Beweise aus den Informationen von V-Leuten bestanden. Die mündliche Verhandlung wurde damit am 1. März ordnungsgemäß begonnen und am 3. März wieder beschlossen. Ob aus den Verhandlungen nun allerdings ein abschließendes Verbotsurteil der NPD erwachsen wird, bleibt weiterhin fraglich.

Bild: "Keine NPD - nirgends". © Katina Schubert - flickr.com. Von UNI.DE zugeschnitten und mit ©-Hinweis versehen. Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0.