VON CLEMENS POKORNY | 22.01.2013 13:01

Wozu ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse?

Müssen Suchmaschinenbetreiber künftig Lizenzgebühren an Verlage zahlen, weil sie deren Presseerzeugnisse verlinken? Und welche Folgen hätte ein solches Leistungsschutzrecht?

Angesichts der absehbaren Insolvenzen von Financial Times Deutschland und Frankfurter Rundschau hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung bereits 2008 im Koalitionsvertrag festgeschrieben, „Presseerzeugnisse im Internet“ durch ein neues „Leistungsschutzrecht für Presseverlage“ vor unentgeltlicher Ausnutzung im Internet zu schützen. Worum geht es da genau?

Vertrauen in Google?

Ob eine Zeitung ihre Artikel ins Internet stellt, bleibt ihr selbst überlassen. Sofern sie sie ohne Passwort frei zugänglich macht, können Internetleser sich das Geld für den Kauf des Blattes einfach sparen; im Browser installierte Ad-Blocker blenden zudem bei vielen Surfern Werbeanzeigen aus, sodass es schwieriger werden dürfte, zahlungskräftige Anzeigenkunden für den Online-Auftritt eines Mediums zu gewinnen. Um mit ihrem Journalismus auch im Netz zu verdienen, bittet die Tageszeitung taz Online-Leser um eine Spende in derjenigen Höhe, die ihnen der gelesene Artikel wert sei. Wie gut dieses Modell bisher funktioniert, ist nicht bekannt.

Warum verlangen dann nicht einfach alle Medien Gebühren für die Nutzung ihrer Angebote im World Wide Web? Die naheliegende Antwort fällt jedem ein, der sich schon einmal über einen gebührenpflichtigen Beitrag aufgeregt hat, den er zum Beispiel per Google-Suche gefunden hatte, aber nicht vollständig lesen konnte: In einer Zeit, da insbesondere die Printmedien um ihre Existenz bangen müssen, kann es sich kaum eine Zeitung leisten, potentielle Besucher ihres durch Werbeanzeigen finanzierten Webauftritts mit Gebührenforderungen zu vergrämen. Genauso wenig können Presseverlage ihre Homepages von der Indizierung durch Suchmaschinen mit entsprechender Software ausklammern, wenn sie weiterhin im Internet hinreichend wahrgenommen werden wollen. An Presseerzeugnissen verdienen offenbar vorwiegend die Suchmaschinenbetreiber, deren Werbeanzeigen sich nicht ausblenden lassen, die aber von Usern gerne zum Auffinden relevanter Beiträge genutzt werden. Daher fordern Medienvertreter seit einigen Jahren, dass Suchmaschinen für die Indizierung der kurzen Ausschnitte aus Artikelanfängen („Snippets“), die sie bisher kostenfrei als Suchergebnisse präsentieren, bezahlen sollen. Dazu solle ein gesetzlicher Schutz bereits für solche etwa drei Sätze langen Textschnipsel geschaffen werden, der ab Veröffentlichung ein Jahr gelten würde. So würden die Presseverleger u.a. mit Tonträgerherstellern gleichgestellt, für die es jetzt schon ein Leistungsschutzrecht gibt.

So verständlich die Forderung der Medienmacher auf den ersten Blick auch wirken mag: ein Leistungsschutzrecht für ihre Produkte wäre in vielerlei Hinsicht problematisch. Zum einen würde es einen Eingriff in den freien Informationsfluss des Internets bedeuten, während den Betreibern der Medien-Homepages ja der legitime Weg offenstünde, ihre Seiten von der Indizierung auszuschließen. Wie definiert man ferner ein „Presseerzeugnis“ – gehören Blogs auch dazu? Außerdem würde das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse entweder ausländische Suchmaschinen bevorzugen, die keine Lizenzgebühren an die Medien zahlen müssten – oder aber es wären internationale Abkommen und somit ein gigantischer bürokratischer Aufwand nötig. Das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht hat überdies in einer Stellungnahme vom November 2012 betont, dass die Benutzung von Snippets bereits zum jetzigen Zeitpunkt im Urheberrecht geregelt sei, sehr kurze Snippets in der Regel jedoch nicht die für einen Schutz nötige Schöpfungshöhe erreichten: ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse wäre also eigentlich gar nicht nötig. Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs, ätzte Anfang Dezember in der FAZ, in Wahrheit wollten die Verlage doch nur an den satten Anzeigengewinnen von Google & Co. teilhaben. Diese kommen zwar nur durch Suchanfragen zustande, doch wird diese Leistung ja vom Betreiber des Suchdienstes erbracht. Und wer käme auf die Idee, dass die Gelben Seiten eine Vergütung an die darin aufgeführten Unternehmen zahlen müssten?