VON CLEMENS POKORNY | 30.08.2016 10:45

Terror in Terrarien: Vom Leid der Kleintiere

Kleintiere, vor allem Nager, Vögel und Reptilien, werden oft unter tierschutzwidrigen Bedingungen gezüchtet und ebenso in den Zootierhandlungen gehalten. Ladenhüter werden zu Futter verarbeitet. All das ist möglich, weil das Tierschutzgesetz die Haltung der Tiere völlig unzureichend regelt – aber auch, weil Millionen Menschen in Deutschland dieses System mit ihrem Verhalten finanzieren.

Ein Katzenjunges steht alleine hinter einer Glaswand, kaum sechs Wochen alt – keine Mutter, keine Geschwister mehr. Ratten drängen sich dicht an dicht auf engstem Raum, es stinkt nach Kot, die Tiere werden, derart zusammengedrängt, aggressiv. Meerschweinchen sitzen in Behältnissen, in denen sie sich gerade einmal um sich selbst drehen können. Laut der Tierschutzorganisation PETA, die diese Missstände dokumentiert hat, sind solch katastrophale Verhältnisse nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Zwar verlangt das Tierschutzgesetz von allen Tierhaltern, dass diese „das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen“ müssen. Doch konkrete Normen für die artgerechte Haltung gibt es nicht. Das Urteil darüber obliegt Amtstierärzten, die meistens erst tätig werden, wenn ihnen Verdachtsfälle gemeldet werden.

Tierschutzwidrige Haltung auch in den Zuchtbetrieben

Die Quälerei für die Kleintiere beginnt bereits, bevor sie einer der etwa 4.100 Zoohandlungen in Deutschland mit ihrem oft stark begrenzten Platz ankommen. Wenige Tierhändler züchten ihre Ware selbst. Sie beziehen sie vielmehr von Züchtern und anderen Lieferanten, bei denen die Tierschutzaktivisten von PETA erst letztes Jahr gravierende Mängel nachgewiesen haben. Vor allem artwidriger Platzmangel sorgt für Stress unter den Tieren, unter denen es daher zu gegenseitigen Verstümmelungen oder gar Kannibalismus kommt. Sie vegetieren in ihren eigenen Ausscheidungen, oft gemeinsam mit Artgenossen, die diese Bedingungen nicht überlebt haben und neben den überlebenden verwesen. Zu fressen gibt es z.T. bereits verschimmeltes Brot.

Ursache: Profitgier

Preisdruck lautet die naheliegende Erklärung für das Verhalten der Züchter. Sogar im Einzelhandel kostet ein Goldhamster gerade mal 1,99 Euro, ein Zwerghamster gar nur einen Euro. Die Gewinnspanne pro Exemplar ist also für Zuchtbetriebe wie Zoohandlungen klein. Profit lässt sich da nur mit Masse machen. Diese wiederum braucht Platz, den viele, die an der Ware Tier mitverdienen wollen, nicht haben – so bleibt der Tierschutz fast zwangsläufig auf der Strecke. Treten dann Krankheiten auf, müssten zwar Tierärzte bemüht werden. Doch wenn eine Behandlung mehr kostet als der Patient wert ist, fällt sie eben einfach mal aus. Kleintiere, die im Laden keinen Abnehmer finden, gehen wieder an den Zuchtbetrieb zurück. Was der mit ihnen macht, bleibt ebenso intransparent wie die Lieferketten überhaupt. PETA-Aktivisten haben allerdings Kleintiere als Frostfutter gekauft, die nachweislich eines gewaltsamen Todes gestorben sind. Sieht so der letzte Zweck der Ladenhüter aus?

Die Macht des Konsumenten

Auf eine Ware reduziert

Die großen Kleintier-Handelsketten, z.B. „Fressnapf“, „Dehner“ und „Das Futterhaus“, reagierten schnell auf die letztjährigen Enthüllungen von PETA und wechselten ihre Lieferanten oder „produzieren“ ihre „Ware“ seither wenigstens teilweise selbst. Doch noch immer gibt es keine eigenen gesetzlichen Regelungen für den Verkauf von Kleintieren über den Zoohandel, ebensowenig für die private Haltung, obwohl bereits 1998 über ein „Heimtierschutzgesetz“ diskutiert wurde. Noch immer werden Wildtiere auf zum Teil natur- und tierschutzwidrige Weise gefangen und dürfen auch dann verkauft werden, wenn der Händler keine Expertise im Umgang mit Exoten hat. Solange dem unmoralischen Umgang mit der Ware Tier kein gesetzlicher Riegel vorgeschoben ist, können interessierte Privatpersonen dem Tierschutz daher nur Rechnung tragen, indem sie Kleintiere nicht im Fachhandel kaufen, sondern sich einer der vielen Kreaturen annehmen, die zum Beispiel in den Tierheimen auf ein neues Zuhause warten.