VON MAXIMILIAN REICHLIN | 20.09.2013 15:06

Die Regierung der Amateure – Wie Deutschland unter einem Laienparlament aussehen würde

Das Parlament der Bundesrepublik steht beinahe unter beständiger Kritik. Von Seiten der Kritiker wird den Berufspolitikern etwa Lobbyismus vorgeworfen, die im Parlament getroffenen Entscheidungen zielten vor allem auf das Wohl der Konzerne ab, nicht auf die Interessen der Bürger. Auch die Tatsache, dass viele Parlamentsmitglieder oft auf den Gehaltslisten anderer Interessenverbände stehen, regt zum Nachdenken an. Gerüchten zufolge würden manche sogar von Mafia-Organisationen unterstützt. Immer öfter wird der Ruf nach einer völlig neuen Form des Parlaments laut: Einem Laienparlament, das eben nicht aus Berufspolitikern, sondern aus Amateuren besteht. Doch wäre ein solches Parlament wirklich sinnvoll? UNI.de diskutiert.

Der Mensch in der "Filter Bubble"

Das Schlagwort in der Debatte um das Laienparlament: Direkte Demokratie, wie sie beispielsweise in weiten Teilen in der Schweiz Anwendung findet. Hier wird beinahe jede Gesetzesvorlage zur Abstimmung gebracht und auf allen Entscheidungsebenen direkt von den Bürgern behandelt, bevor es zu einer Entscheidung kommt. In Deutschland fehlen solche direktdemokratischen Elemente zumeist. Zwar gibt es die Möglichkeit, eine Entscheidung durch ein sogenanntes Volksbegehren zu klären, doch ist dieses Instrument nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen einsatzfähig. Ein Laienparlament würde zwar ebenfalls Vertreter der Bürger einsetzen, von einer direkten Demokratie könnte man also nicht ganz reden, allerdings käme es dem System nach Schweizer Vorbild schon recht nahe.

Die Vorteile eines solchen Laienparlaments liegen für die Befürworter auf der Hand: Ein solches würde nicht aus Berufspolitikern, sondern aus Handwerkern, Akademikern und Hausfrauen bestehen, wäre eine Zusammensetzung aus allen möglichen Berufszweigen und allen möglichen gesellschaftlichen Schichten. Dadurch würde die Lobbyarbeit erschwert und die Interessen jeder der beteiligten Schichten berücksichtigt. Gesetze würden dann tatsächlich in erster Linie von den Bürgern gemacht.

Auf der anderen Seite stellt sich allerdings die Frage der Qualifikation. Welche Fähigkeiten befähigen etwa einen KFZ-Mechaniker, eine wichtige Entscheidung zum Bankwesen zu treffen? Kann eine Hausfrau eine außenpolitische Frage in all ihrer Tragweite überhaupt richtig verstehen? Die gefassten Entschlüsse des Laienparlaments könnten demnach zu kurzsichtig und unüberlegt ausfallen. Dagegen kann allerdings eingewandt werden, dass es auch keiner besonderen fachgebundenen Ausbildung bedarf, um etwa Abgeordneter oder Minister eines Fachressorts zu werden. Daher gibt es auch die Möglichkeit, als Berufspolitiker die nötige Fachkenntnis nicht unbedingt mitzubringen.

Das führt schließlich und endlich dazu, dass jedes Parlament, ob es sich hier nun um „Profis“ oder Amateure handelt, immer auf Berater und Gremien angewiesen ist, die Sachverhalte für die Entscheidungsträger verständlich machen. Hier treten dann diejenigen Figuren der politische Entscheidungsfindung auf, die auch am aktuellen System kritisiert werden: Lobbys und die Medien, die ebenfalls zu einem großen Teil die Entscheidungen des Parlaments beeinflussen. Müssen wir uns letzten Endes der unbequemen Wahrheit stellen, dass es am Ende diese „grauen Eminenzen“ sind, die die Macht im Staate tragen, unabhängig vom zwischengeschalteten Parlament?

Die gesetzliche Grundlage für ein solches Laienparlament besteht im Übrigen. So heißt es im Artikel 20 des deutschen Grundgesetzes: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen […] ausgeübt.“ Damit wäre ein Laienparlament, wie jede andere Form der direkten Demokratie, in Deutschland auf jeden Fall von Seiten der Verfassung gestützt.