VON MAXIMILIAN REICHLIN | 19.11.2013 11:13

Wem gehört dieses Bild? Die heiße Diskussion um den Kunstfund in München Schwabing

In der Wohnung eines Rentners in München Schwabing wurden im Februar 2012 etwa 1.400 Gemälde sicher gestellt, die aller Wahrscheinlichkeit nach während des Zweiten Weltkrieges vom NS-Regime beschlagnahmt worden waren – und bisher als vernichtet galten. Erst vor einigen Wochen wurde der Kunstfund von der Presse enthüllt. Damit wird er auch zunehmend politisch: Der jüdische Weltkongress übt Druck aus, die Besitzverhältnisse der Bilder müssen so schnell wie möglich geklärt werden. Das Problem: Niemand weiß, wem der Schwabinger Fund eigentlich gehört. UNI.DE über den bizarren Kunstfund.


Kunst kann doch eh nichts bewirken, oder?

Picasso, Chagall, Nolde – namhafte Künstler sind in der heiß diskutierten Sammlung vertreten, die im Februar vergangenen Jahres in einer Wohnung in München Schwabing zu Tage gefördert wurde. Rund 1.400 verschollene Bilder sind in der Wohnung des Rentners Cornelius Gurlitt aufgetaucht. Während des Zweiten Weltkrieges vom nationalsozialistischen Regime als „Entartete Kunst“ aus Galerien, Museen und von privaten Sammlern beschlagnahmt, haben diese Bilder einen bemerkenswerten Werdegang gemacht. Weil die Nazis am Kunstraub verdienen wollten, wurden die Bilder an Kunsthändler übergeben, die die Gemälde im Ausland gewinnbringend absetzen sollten.

Einer dieser Händler war Hildebrand Gurlitt, der Vater von Cornelius Gurlitt. Ihm wurden die Gemälde übergeben, die in Schwabing wieder aufgetaucht sind. Gurlitt hatte seinerzeit angegeben, alle Bilder während eines Bombenangriffes verloren zu haben. Nun von den Behörden wieder zu Tage gefördert, offenbart der Kunstfund eine ungeahnte politische Relevanz. Die Besitzverhältnisse müssen geklärt werden, um den Eigentümern, beziehungsweise ihren Erben, die Bilder wieder aushändigen zu können. Dies fordert zum Beispiel Ronald S. Lauder, der Präsident des jüdischen Weltkongresses. "Weder die möglichen Anspruchsberechtigten noch etwaige Zeugen im Rückgabeverfahren werden jünger. Unrecht wird nicht beseitigt, sondern fortgeführt, solange keine Klarheit über die Eigentümer geschaffen wird."

Das Problem: Es ist absolut unklar, wem der Kunstfund aus Schwabing gehört. Zusätzlich zu dem Problem, die Erben der Besitzer ausfindig zu machen, steht die Frage im Raum, ob einige der Bilder nicht bereits vor ihrem spektakulären Verschwinden von Gurlitt ins Ausland verkauft worden waren. In diesem Falle gehört der Kunstfund nämlich, rein juristisch gesehen, den Erben der Käufer. "Das Gesetz, mit dem die Nationalsozialisten ihr Vorgehen legitimierten, ist nicht rückgängig gemacht worden", sagt der Münchener Kunsthistoriker Stephan Klingen. Die Erben der enteigneten Besitzer hätten somit kaum einen legitimen Anspruch auf den schwabinger Kunstfund.

Nun wird den deutschen Behörden Fahrlässigkeit vorgeworfen. Nicht nur, dass bislang niemand in der Lage war, die legitimen Besitzer der Bilder ausfindig zu machen, auch die Tatsache, dass es über ein Jahr gedauert hat, bis der Kunstfund in Schwabing öffentlich gemacht und an die zuständigen Stellen weitergereicht werden konnte heizt die Diskussion an. Die Bundesregierung verspricht nun eine schnelle Aufklärung. Der nächste Schritt: Eine gründliche Inventur der Schwabinger Bilder zu veranlassen und die Liste öffentlich zu machen. Werke mit unklarer Erwerbsgeschichte sollen dann im Internet ausgestellt werden.

Um die Sache zu beschleunigen, appellierte der Berliner Rechtsanwalt Peter Raue an die Bundesregierung, sich mit Gurlitt außergerichtlich zu einigen, um so zumindest die mögliche Rückgabe der Gemälde zu gewährleisten, die aus privater Hand stammten. Die Bilder, die von den Nazis allerdings aus Museen und Galerien entwendet worden waren, soll der Schwabinger wohl behalten dürfen. Gurlitts Sicht der Dinge wurde am Wochenende im Gespräch mit dem SPIEGEL deutlich: Für ihn gehört der gesamte Kunstfund ihm, freiwillig wolle er nichts zurückgeben. Von den Behörden sieht er sich als „zu Unrecht Verfolgter.“