VON MAXIMILIAN REICHLIN | 08.06.2015 14:48

Kraftstoff aus CO2 – Wird der gefürchtete Klimakiller nun zur Rettung?

Autofahren ohne schlechtes Gewissen – das ist der Traum vieler Ingenieure und Forscher. Das Dresdener Unternehmen sunfire könnte diesen Traum nun Realität werden lassen. Ein im vergangenen Jahr gestartetes Pilotprojekt schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Es entzieht der Atmosphäre schädliches CO2 und wandelt es in einen klimafreundlichen Kraftstoff um. Demnächst soll die Technologie auch in großem Maßstab verfügbar sein. UNI.DE hat sich umgehört.

Erst seit November letzten Jahres ist die sogenannte „Power-to-Liquids“-Anlage der Dresdener Firma sunfire in Betrieb, doch bereits jetzt klingen die ersten Ergebnisse des Pilotprojekts vielversprechend: Die durch alternative Energiequellen betriebene Anlage produziert einen synthetischen Kraftstoff, mit dem in Zukunft, so hoffen die Betreiber, Autos angetrieben werden sollen – und das nicht, wie bei herkömmlichen Kraftstoffen, auf Kosten der Umwelt, sondern sogar zu ihrem Nutzen. Der „Blue Crude“ genannte Diesel wird in der Anlage nämlich aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt – letzteres bekannt als Klimakiller Nummer eins.

Schmutziger Tod: Wie gefährlich ist Umweltverschmutzung?

Der massive CO2-Ausstoß, der mit herkömmlichen fossilen Brennstoffen einhergeht, war bislang das stärkste Argument der Umweltschützer gegen das Autofahren, da der Schadstoff sich in der Atmosphäre ablagert und dadurch hauptverantwortlich ist für den Treibhauseffekt und den Klimawandel. Schon seit Jahren geht deswegen der Trend der Forschung hin zu leistungsstarken Elektroautos, Biokraftstoffen wie das vor einigen Jahren umstrittene E10 oder die Umwandlung von CO2 zu Methanol. Während die Methanolproduktion allerdings in weiten Teilen immer noch teuer und energieaufwändig ist und Elektroautos die CO2-Bilanz höchstens verschieben – hin zu Kohle- und Gaskraftwerken – verspricht sunfire einen erschwinglichen und klimaneutralen Kraftstoff.

Die Technologie dahinter ist nicht neu, war bislang allerdings nicht wirtschaftlich genug, um befriedigende Ergebnisse zu erzielen. Zu viel Energie ging bei der Synthese des Kraftstoffes verloren, der Ertrag war minimal. Nun jedoch glaubt sunfire – ein Gemeinschaftsunternehmen aus insgesamt 10 Partnern aus Forschung und Industrie – dieses Problem gelöst zu haben. Mithilfe einer „Hochtemperatur-Wasserstoff-Elektrolyse“ soll die Energieeffizienz auf 70 Prozent gesteigert werden, dazu verspricht sunfire eine CO2-Einsparung von 85 Prozent gegenüber fossilen Brennstoffen. Angepeilter Preis an der Zapfsäule in der aktuellen Projektphase: 1 Euro bis 1,50 Euro. Damit könnte der synthetische Sprit auch preislich bestehen.

Aktuell produziert die sunfire-Testanlage nur 160 Liter pro Tag, der nächste Schritt soll allerdings die industrielle Fertigung mit 180.000 Tonnen pro Jahr sein. Ein solch flächendeckender Einsatz der „Power-to-Liquids“-Anlagen könnte, so schätzen Experten des Chemieverbandes Dechema, die Umwandlung einer Menge von CO2 mit sich bringen, die in etwa dem Zwei- bis Dreifachen der jährlichen Emission Deutschlands entspricht. Der Klimakiller wird so zum neuen klimafreundlichen Treibstoff. Ein großer Schritt für den Umweltschutz.

Unterstützt wird sunfire dabei durch den Partner Audi und das Rahmenprogramm „Forschung für nachhaltige Entwicklung“ (FONA) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter Johanna Wanka. Der Dienstwagen der Bildungsministerin war es auch, der während einer Pressekonferenz zum ersten Mal mit „Blue Crude“ betankt wurde. In naher Zukunft jedoch soll nicht nur Wankas A8 mit dem synthetischen Kraftstoff unterwegs sein. Der Ingenieurskonzern Bilfinger, der als Investor am Projekt beteiligt ist, verspricht die industrielle Einsatzbereitschaft der sunfire-Technologie für das Jahr 2016.