VON LISI WASMER | 24.07.2014 14:29

Klimateller: Klimawandel auf dem Teller – CO2-arme Ernährung leicht gemacht

Dass Klimaschutz nicht nur eine Frage von moderner Fahrzeugtechnik, von Solarzellen und Energiesparlampen ist – das ist inzwischen bekannt: in Deutschland ist die durch unsere Ernährung bedingte Treibhausgasemission höher als die durch den Personenkraftverkehr. Das Projekt „Klimateller“ setzt sich für eine klimafreundlichere Ernährung ein, indem sie gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Bildungswesen den ökologischen Fußabdruck von Kantinen und Mensen aufbessern: Einmal pro Woche gibt es klimafreundliche Gerichte. Was dann auf den Teller kommt und warum unser Essverhalten den Klimawandel maßgeblich beeinflusst.

Laut „Fleischatlas 2013“ isst ein Deutscher im Laufe seines Lebens durchschnittlich vier ganze Rinder, vier Schafe, zwölf Gänse und 37 Enten. 46 Schweine, 46 Puten und sage und schreibe 945 Hühner vervollständigen die Fleisch- und Wurstbilanz der Bundesbürger. Gerade der Fleischkonsum (und hier insbesondere der Verzehr von rotem Fleisch, etwa Rind- und Schweinefleisch) ist aber – neben dem Konsum von Milchprodukten – hauptverantwortlich für das hohe Maß an Treibhausgasemission, die aufgrund unserer Ernährung entsteht. Insgesamt beläuft sich der Anteil an Treibhausgasen, die auf unsere Ernährung zurückgeführt werden können, auf 15,2 Prozent und liegt damit noch über dem entsprechenden Wert für den Personenkraftverkehr von 14,3 Prozent, wie eine Studie des „Öko-Instituts“ belegt.

Weil es also vor dem Hintergrund des Klimaschutzes durchaus relevant ist, was auf unseren Teller kommt, setzt sich das Projekt „Klimateller“ dafür ein, unsere Ernährung klimafreundlicher zu gestalten. Denn unseren ökologischen Fußabdruck können wir nicht nur durch den Verzicht auf unnötige Autofahrten oder einen besonders rigorosen Stromsparplan verringern – auch ein entsprechendes Essverhalten kann einen entscheidend zu einer verringerten Treibhausgasemission und somit zum Klimaschutz beitragen.

Fleischatlas 2014

Wie funktioniert der Klimateller?

Wie kommt der Klimaschutz auf den Teller? Die Sachlage ist so: Verschiedene Lebensmittel verursachen bei ihrer Produktion, Weiterverarbeitung, Zubereitung und Entsorgung verschieden starke Treibhausgasemission. Neben CO2 spielen hier auch andere vom Menschen verursachte Treibhausgase eine Rolle, zusammenfassend wird von CO2-Äquivalenten gesprochen. Wie eine Animation des Magazins „Fluter“ eindrücklich darstellt, verursacht beispielsweise der durchschnittliche Verbrauch von Schweinefleisch pro Kopf in Deutschland (53 Kilogramm) über 170 Kilogramm CO2-Äquivalente.

Diese Zahl möchten die Mitarbeiter von Klimateller verringern, indem sie genau dort ansetzen, wo Ernährung im großen Stil betrieben wird: Kantinen und Mensen sind das Schlachtfeld der Wahl, wenn es um den Kampf gegen den Klimawandel geht. Einmal pro Woche kommen möglichst klimafreundliche Gerichte auf die Karte. Das heißt, kein rotes Fleisch, aber auch keine Milchprodukte mit einem absoluten Fettgehalt von über 15 Prozent. Warum? Weil für ihre Herstellung große Mengen von Milch benötigt werden. Und weil es gerade diese Lebensmittel sind, bei deren Herstellung und Verarbeitung am meisten Kilogramm CO2-Äquivalente emittiert werden. Ein Beispiel: Laut Veröffentlichung des „WWF“ verursachte die deutsche Landwirtschaft 2004 über 17 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente allein durch sogenannte enterische Fermentation von Rindern, sprich: tierische Flatulenzen (Schweinefleisch verursacht zwar wesentlich weniger CO2-Äquivalente, dafür fällt der durchschnittliche Konsum allerdings viermal so hoch aus).

CO2-armes Essen – was bleibt?

Eine britische Studie kam im Hinblick auf die Klimaverträglichkeit unterschiedlicher Ernährungsstile auf entsprechende Ergebnisse: Wer sich vegan ernährt, verursacht nur halb so viel Treibhausgasemission wie eine Person mit verhältnismäßig hohem Fleischkonsum, so die Autoren.

Trotzdem: Ein bisschen weint die liberale Feinschmecker-Seele dann doch. Dass sich der gemeine Deutsche ohnehin nicht gerne vorschreiben lässt, was er zu essen und zu fasten hat (auch nicht einmal pro Woche), zeigte allein schon die Diskussion um den von den Grünen geforderten Veggie-Day in deutschen Kantinen. Und Jakob Strobel y Serra beobachtet in seinem FAZ-Artikel zur heutigen Esskultur ganz richtig: „Wir leben in einer Welt kulinarischer Obsessionen, in der sich der klassische Genießer immer fremder fühlt, weil nicht mehr der Geschmack, sondern die Gesundheit oder das Dogma oder die Moral das neue A&O des Essens sind.“ Mutmaßliche Lebensmittelunverträglichkeiten, die Definition gesunder und moralisch vertretbarer Ernährung ex negativo: Ohne Konservierungsstoffe, aber auch ohne Gluten, ohne Zucker, mit weniger Fett – jetzt also auch mit weniger CO2-Äquivalenten. Wo bleibt der Genuss?

Zumindest was die Treibhausgasbilanz angeht, kann man ein wenig aufatmen. Geflügel etwa kann mit einem deutlich geringeren Ausstoß von CO2-Äquivalenten produziert werden als beispielsweise Schweine- oder Rindfleisch, es gibt also klimafreundlichere Alternativen. Wer etwas gegen den Klimawandel tun möchte, muss nicht gleich Veganer werden. Aber ein kritischer Blick auf den Speiseplan kann nicht schaden. In einigen Kantinen und Mensen in Deutschland übernimmt das der „Klimateller“ für uns – und das ist doch, im Gegensatz zu den sonstigen Diätdiktaturen, endlich einmal ein Ernährungsstil mit Sinn.