VON MAXIMILIAN REICHLIN | 15.12.2016 16:14

Der Schutz vor Sklaverei – Heute gibt es mehr Sklaven, als jemals zuvor

Weltweit leben auch heute noch rund 45 Millionen Menschen in Sklaverei, so die Schätzungen des aktuellsten Global Slavery Index – mehr als jemals zuvor. Bei den modernen Sklavinnen und Sklaven handelt es sich in der Regel um Zwangsarbeiter, Prostituierte oder Kindersoldaten. Obwohl Sklaverei und Menschenhandel durch das internationale Recht absolut illegal sind, steigen die Zahlen jährlich. Grund dafür sind unzureichende Gesetze sowie die Unfähigkeit von Unternehmen und Konsumierenden, die Versorgungskette zu überblicken.


Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 4: „Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel in allen ihren Formen sind verboten.“ Eigentlich sollte dieses besondere Menschenrecht selbstverständlich sein, sind die Zeiten des Sklavenhandels doch schon lange vorbei. Oder etwa nicht?

Sklaverei heute

Sklaverei und Sklavenhandel gab es beinahe in allen historischen Kulturen – vom antiken Griechenland und Rom bis hin zum transatlantischen Sklavenhandel in der „Neuen Welt“. Erst im Jahr 1980 erklärte der afrikanische Staat Mauretanien als letztes Land der Welt den Sklavenhandel für strafbar, obwohl er bereits 1948 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als unzulässig deklariert wurde. Heute gilt die Sklaverei offiziell als abgeschafft und jedes Land der Welt (bis auf Nordkorea) hat Gesetze gegen Ausbeutung und Menschenhandel. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Phänomen nicht nach wie vor existiert, im Gegenteil. Aktuellen Schätzungen zufolge leben heute mehr Menschen in Sklaverei, als zu jedem anderen Zeitpunkt in der Geschichte. Der amerikanische Sklaverei-Forscher Kevin Bales schätzt, dass weltweit noch rund 27 Millionen Menschen in sklavereiähnlichen Verhältnissen leben. Der Global Slavery Index der australischen Walk Free Foundation schätzt die Zahlen noch höher ein und geht im Jahr 2016 von über 45 Millionen Menschen aus, verteilt auf 167 Länder. Beinahe 60 Prozent dieser modernen Sklavinnen und Sklaven verteilen sich auf die traurigen Spitzenreiter der Erhebung: Indien, China, Pakistan, Bangladesch und Usbekistan.

Wir alle sind Sklavenhalter – Durch Konsum oder Blindheit

Eine Form der modernen Sklaverei ist beispielsweise die Zwangsarbeit auf Baustellen oder in sogenannten „Sweat Shops“. Andrew Forrest, Initiator des Global Slavery Index, berichtet von Unternehmen, die Arbeitern ihre Pässe abnehmen, um sie am Fortgehen zu hindern und dann unter unwürdigen Bedingungen arbeiten und leben zu lassen. Die auf diese Weise produzierten Güter landen auch in europäischen Läden. Professorin Evi Hartmann von der Universität Erlangen-Nürnberg schätzt, dass auf einen „normalen“ Konsumenten ungefähr 60 Sklaven kommen.

Eine andere Form der Ausbeutung ist die Sex-Industrie, vor allem in Westeuropa. Einer Erhebung des OSZE zufolge bringen Menschenhändler/-innen jedes Jahr bis zu 500.000 Frauen von Ost- nach Westeuropa, um sie dort zur Prostitution zu zwingen. Vor allem Deutschland gilt dafür als „lukrativer Markt“, da es hierzulande kaum Gesetze gibt, die diese spezielle Form der modernen Sklaverei im Blick haben. Eine EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Menschenhandel und zum Schutz der Opfer konnte auch in diesem Jahr nicht konsequent umgesetzt werden.

„Change Your Shoes“

Warum es immer noch Sklaverei gibt

Dass Sklaverei und Menschenhandel auch heute noch in diesem Ausmaß florieren liegt vor allem daran, dass es keine einheitlichen Gesetze und Überwachungsinstrumente gibt. Zwar haben bis heute 168 Ländern den UN-Zivilpakt unterschrieben, der Sklaverei verbietet, dennoch trägt jedes Land die Verantwortung für die Durchführung eigener gesetzlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Menschenhandels selbst. Ein „Vorzeigeland“ gibt es in dieser Hinsicht nicht. Ein weiteres Problem ist die zunehmende Unübersichtlichkeit im Zuge der Globalisierung: Unternehmen sind oft nicht in der Lage (oder schlicht nicht willens) jeden einzelnen Lieferanten innerhalb der eigenen Versorgungskette zu überprüfen, solange Preis und Qualität stimmen.

Um Aufmerksamkeit für die bestehenden Probleme zu erregen und Druck auf die jeweiligen Regierungen auszuüben, gibt es weltweit verschiedene Menschenrechtsorganisationen, allen voran die international agierende Amnesty International. Der deutsche Verein SOLWODI (Solidarity with Women in distress) engagiert sich gegen die Ausbeutung von Frauen, sowohl in Afrika, Asien, Südamerika und Osteuropa, als auch im eigenen Land. Das Kinderhilfswerk terre des hommes schafft dagegen Auffangmöglichkeiten für Flüchtlings- und Straßenkinder und setzt sich weltweit gegen Kinderarbeit und den Einsatz von Kindersoldaten ein. Ohne umfassende Gesetze seitens der betroffenen Staaten und ohne ausreichenden Druck der Vereinten Nationen oder der EU auf die jeweiligen Landesregierungen bleiben die Möglichkeiten solcher Organisationen allerdings weiterhin begrenzt.

Bild: "Slavery liberation monument" von Richard Scoop via Flickr.com. Von UNI.DE zugeschnitten und mit ©-Hinweis versehen.
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