VON JANA NOSSIN | 05.07.2016 16:43

Jobsharing – Ein altbekanntes Modell als Modell der Zukunft?

„Man kann sich nicht zweiteilen“, lehrt ein bekannter Ausspruch. Kann man aber doch. Zumindest im Job. Jobsharing heißt das Zauberwort, und es ist gar nicht so neu. Denn das aus den USA stammende Konzept ist dort bereits seit dem Ende der 70er Jahre ein viel genutztes Arbeitszeitmodell und auch in Europa weiß man – auch praktisch - seit mehr als 30 Jahren, um die Möglichkeiten, die Jobsharing bietet. Genutzt wird das System insbesondere in Skandinavien, den Niederlanden, in Großbritannien und in der Schweiz. Hierzulande fand das Modell jedoch bisher nur wenig Anwendung; und so bildet Deutschland beim Jobsharing aktuell noch immer das Schlusslicht in Europa.

Ein Aspekt der jedoch nur schwer nachvollziehbar ist. Denn gerade in den rauen Zeiten des demografischen Wandels, kämpfen Unternehmen mehr denn je um Talente und finden mit der Generation Y („why“ - die Hinterfragenden, die ihren Namen ja nicht von ungefähr erhielten) plötzlich ganz andere Akteure vor, als bei vorherigen Generationen. „Geld verdienen, um zu leben“ war gestern. Die neue Generation will mehr, insbesondere Leichtigkeit im Arbeitsleben, eine ausgewogene Work-Life-Balance und Selbstverwirklichung. (Nicht dass die vorausgehende Generation X dies nicht auch als wünschenswert empfunden hätte, aber getreu dem Motto „Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut. (Karl Valentin) “, stellen eben nun gerade die zwischen 1981 und 2000 Geborenen, alias Generation Y, ganz neue Weichen im Arbeitsleben und Althergebrachtes plötzlich gründlich in Frage. Auch wenn die neue Prioritäten-Gewichtung in Richtung Freiheit und Individualität ja vielleicht doch auch ein Zeichen der Zeit sein mag.) Und genau hier ist Jobsharing vielleicht DAS Puzzleteil, das perfekt auf die Anforderungen der neuen Generationen im Arbeitsleben matched.

Wie funktioniert Jobsharing genau?

Beim Jobsharing teilen sich in der Regel zwei Arbeitnehmer einen Vollzeitarbeitsplatz und üben diese Position – je nach vorheriger Vereinbarung und Notwendigkeit – mal abwechselnd, mal gemeinsam, aber immer eigenverantwortlich und in enger, vertrauensvoller Zusammenarbeit sowie in regelmäßiger Rücksprache aus. Entgegen einer klassischen Teilzeitarbeitsstelle, obliegt die Aufteilung der Arbeitszeit und des Verantwortungsbereiches jedoch nicht dem Arbeitgeber, sondern den Arbeitnehmern. Diese vereinbaren also vorab - je nach persönlichen Erfordernissen - ihre individuelle Arbeitszeitgestaltung. Und so einigt man sich beispielsweise darauf, dass ein Sharing-Partner die Position montags und donnerstags, der andere jeweils die restlichen Arbeitstage abdeckt.

Ein klassisches Anwenderbeispiel für Jobsharing sind Führungspositionen, die aus ihrer Natur heraus grundsätzlich nicht teilzeittauglich sind. Die Anforderung auf Vollzeitbesetzung der Stelle bleibt natürlich auch weiterhin bestehen, wird durch Jobsharing jedoch von zwei Verantwortlichen getragen, die aber jeweils in Teilzeit 100 Prozent Besetzung ermöglichen.

Jung und vielfältig

Abstriche im Gehalt, aber mehr Lebensqualität

Mit dieser Flexibilität haben die Sharing-Partner die Möglichkeit, einen qualifizierten Job auszuüben, der zu ihnen passt, der ihnen darüber hinaus aber auch den notwendigen Freiraum für eigene Projekte, Familie, Weiterbildungen etc. gewährt. Mit der vertrauensvollen und gut abgestimmten Zusammenarbeit im Team, können die Partner voneinander lernen, Verantwortungsbereiche entsprechend ihrer individuellen Stärken bearbeiten und so gemeinsam mehr erreichen. Im (gut funktionierenden) Team, macht die Arbeit in der Regel ohnehin mehr Spaß. Und natürlich tragen auch die Gestaltung der persönlichen Wunsch-Arbeitszeiten und die daraus entstehenden Freiräume zu einer ausgeglichenen Work-Life-Balance und somit zu mehr Lebenszufriedenheit, die wiederum zu mehr Leistungsvermögen führt, bei.

Auch wenn – entgegen einer klassischen Vollzeitstelle – bei dieser Variante der Arbeitszeitgestaltung sicherlich der ein oder andere Euro für den Arbeitnehmer zwangsläufig auf der Strecke bleibt; eine erfüllte Arbeit, die mit den individuellen Lebensvorstellungen vereinbar ist, kann womöglich so schnell mit finanziellen Mitteln wiederum auch nicht aufgewogen werden (sofern Teilarbeitszeit im Hinblick auf die persönliche Lebensführung grundsätzlich überhaupt in Frage kommt). Und das trifft vermutlich genau den Nerv der Zeit und natürlich die Vorstellungen neuer Generationen vom idealen Arbeitsalltag.

Warum sich Jobsharing auch für den Arbeitgeber lohnt?

Aber auch für den Arbeitgeber liegen die Vorteile auf der Hand. Studien haben nämlich gezeigt, dass Arbeitnehmer, die in Teilzeit beschäftigt sind, anteilmäßig produktiver und flexibler sind, als ihre in Vollzeit beschäftigten Kollegen. Mit zwei motivierten und zufriedenen Arbeitskräften, gewinnt der Arbeitgeber folglich nicht nur 100 Prozent (plus) Produktivität, sondern auch doppelte Kompetenzen, Wissen und Kreativität, bei einem sehr geringem Ausfallrisiko durch Urlaub- und Krankheitszeiten, da sich die Sharing-Partner ja jeweils gegenseitig vertreten und Ausfallzeiten theoretisch immer temporär überbrücken können.

Dies spart dem Arbeitgeber, auch wenn zunächst einmal höhere Personalkosten entstehen, langfristig Geld. Zudem können die Unternehmen durch Jobsharing qualifizierte Arbeitskräfte anziehen, die über ihrer Zufriedenheit im Job ganz natürlich motiviert werden, auch langfristig im Unternehmen zu bleiben.

Die Hürden überwinden

Grundsätzlich funktioniert Jobsharing dann gut, wenn die Zusammenarbeit der Sharing-Partner optimal gelingt. Das setzt natürlich eine einwandfreie Kommunikation und Planung unter den Teamplayern voraus. Auch Vertrauen spielt für eine gute Kooperation eine entscheidende Rolle. Ist der passende Partner aber erst einmal gefunden, wird Jobsharing zu einer Bereicherung für alle Beteiligten. Auch im Hinblick auf Vergütung und Karriereentwicklung ist das System ganz und gar nicht mit Teilzeitarbeit, die üblicherweise anteilmäßig schlechter bezahlt wird als eine adäquate Vollzeitstelle - und sich darüber hinaus oftmals als Karrierebremse entpuppt - zu vergleichen.

Seit geraumer Zeit ist in Deutschland ein zunehmender Trend zur Teilarbeitszeit zu vermerken; das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit deklariert Teilzeit sogar als einen Wachstumsmarkt. Arbeitgeber in Deutschland sind dennoch zurückhaltend, ja sogar skeptisch, was Jobsharing betrifft. Nur rund 15-20 Prozent aller deutschen Betriebe nutzen Jobsharing für ihr Unternehmen. Thyssen-Krupp, Coca-Cola, die Telekom, und einige andere Unternehmen hingegen, tun es bereits. Sie folgen mit dem Jobsharing-Modell dem Trend der Zeit und gehen neue (alt bekannte) Wege auf dem Arbeitsmarkt.

Über die Plattform Tandemploy.com lassen sich potentielle Jobsharing-Partner und Jobsharing offerierende Unternehmen finden.

Ob sich Jobsharing auch hierzulande etabliert, bleibt abzuwarten. Dennoch ist das Arbeitszeitmodell ein spannendes Konzept, das gut zu den neuen Anforderungen am Arbeitsmarkt passt, und zumindest verspricht, in jedem Fall einen Versuch wert zu sein.

Jana Nossin ist UNI.DE Redakteurin und HR-Interimsmanagerin.