VON LISI WASMER | 03.09.2013 15:52

Initiative 1:12 - Der gute Wille und was daraus wird

Während das politische Deutschland gespannt auf die bevorstehende Bundestagswahl im September blickt, wird in der Schweiz nach den Parlamentswahlen 2011 erst in zwei Jahren wieder über die Regierung abgestimmt. Zu den Urnen wird dennoch gebeten: Die Sozialdemokratische Partei (SP) setzt sich gemeinsam mit ihrer Jungpartei, den JungsozialistInnen Schweiz (Juso), und der Schweizer Gewerkschaft Unia für eine Deckelung der Manager-Gehälter ein. Nicht mehr als das Zwölffache des Jahreslohns des am niedrigsten bezahlten Mitarbeiters soll ihr Monatsverdienst betragen. Gegenstimmen kommen vor allem vom Schweizer Arbeitgeberverband. Das Parlament sprach sich im März gegen die Initiative für eine entsprechende Änderung der Verfassung aus. Im November entscheidet nun das Volk.


Viel Arbeit für wenig Geld – Lohndumping in der EU

Schweizer Wähler sagen "Nein"

Erst im vergangenen Jahr geriet in Deutschland der im Grunde hoch angesehene VW-Chef Martin Winterkorn in die Kritik: Sein Jahresgehalt von mehr als 17 Millionen Euro erschien selbst anderen Top-Managern als maßlos übertrieben. „Muss Herr Winterkorn wirklich das 50fache der Bundeskanzlerin verdienen“, zitierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung den offensichtlich erbosten Wirtschaftsjuristen Michael Adams. Noch drastischer wäre der Vergleich ausgefallen, hätte Adams sich nicht an Angela Merkel, sondern an den VW-Mitarbeitern orientiert. Es ist diese Kluft zwischen Belegschaft und Chef-Etage, die vor allem bei den Schweizer Sozialdemokraten und Gewerkschaften für große Verstimmung sorgt.

Für und Wider

2009 brachten sie deshalb die Initiative „1:12 – Für gerechte Löhne“ auf den Weg. Zwei Jahre später wurde sie mit weit mehr als den 100.000 erforderlichen Unterschriften eingereicht. Von einer adaptiven Deckelung der Manager-Gehälter versprechen sie sich eine gerechtere Verteilung von Firmenerträgen auf alle Unternehmensangestellten. Zudem wollen die Initianten den Führungskräften die Entscheidungsmacht entziehen: Das Volk soll bestimmen, welcher Lohn als angebracht gilt.

Gerade im liberalen Politlager sieht man das naturgemäß anders: Auf der Delegierten-Versammlung der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) Ende August war der Grundtonus klar: Die Initiative 1:12 sei nur einer von mehreren linken Torpedierungsversuchen gegen das liberale Fundament der Schweiz, wie es in der Neuen Zürcher Zeitung heißt. Eine Lohndeckelung sei ein klarer Verstoß gegen die Wirtschaftsfreiheit.

Stimmungsbarometer Facebook

Als der Nationalrat im vergangenen März schließlich abstimmte, sprach er sich mit großer Mehrheit gegen die Initiative aus – nicht weiter verwunderlich, stellen doch die Befürworter des Volksbegehrens (SP und Grüne) nur ein Drittel der Abgeordneten. Was man aber nicht vergessen darf: Das Referendum im November findet statt. Und repräsentativen Umfragen zufolge stehen die Chancen für ein „Ja“ der Bevölkerung nicht schlecht. Auch ein Blick ins Reich der Social Media spricht für die Initianten: Fast 9.000 Nutzern gefällt die offizielle Fanseite des Volksbegehrens. Die Seite der Initiativen-Gegner erhielt bis jetzt gerade einmal rund 1.500 Daumen. Trotzdem: Die Argumente gegen die Gehalts-Deckelung sind durchaus schlagkräftig (vom Anti-1:12-Gedicht des Nationalratsabgeordneten Oskar Freysinger einmal abgesehen). So ist beispielsweise zu befürchten, dass vor allem mittelständische Unternehmen unter der Neuregelung zu leiden hätten, da Großunternehmen sich schlicht einen neuen Standort suchen würden. Dies sind keine bloßen Vermutungen: Nestlé-Chef Peter Brabeck drohte bereits mit einer Konzernumsiedelung, sollte die Bevölkerung zugunsten der Initiative entscheiden – wirtschaftlich gesehen sind das schmerzvolle Aussichten für die Schweiz.

Und auch die Umsetzung – regulatorisch wie praktisch – stelle ein immenses Problem dar, so der Nationalrats-Abgeordnete Philipp Müller (FDP). Dass er hier vermutlich Recht hat und die Verfassungsänderung tatsächlich viele Menschen betreffen würde, deren hohe Gehälter durchaus als angemessen und nicht als Lohnexzess angesehen werden, zeigt das eindrückliche Beispiel der Wirtschaftsprofessoren Bruno Frey und Margit Osterloh aus dem Profisport: Tennis-Ikone Roger Federer müsste, gemessenen an seinem derzeitigen Monatsgehalt, jährlich vier Million Euro an seinen Masseur zahlen. Es scheint also wie es oft ist: Der gute Wille war da. Die Idee einer relativierten Lohnanpassung von Managern und Belegschaft ist in der Theorie nicht unbedingt verkehrt. Allein, in den praktischen Details scheint durchaus noch Nachbesserungsbedarf zu bestehen.