VON Marie-Thérèse | 26.11.2014 08:50

„Nicht Marie-Thérèse? Abmelden“ – Identität bei Amazon, Facebook&Co.

Online-Plattformen wie Facebook oder Amazon geben sich gerne modern und weltoffen, doch schon bei der An- und Abmeldung auf diesen Seiten bemerkt man: Moment mal, die haben ja ein ganz schön enges Blickfeld!

Es ist doch immer wieder schön. Ist man mit dem abendlichen Stöbern nach vergriffenen Büchern oder potentiellen Weihnachtsgeschenken auf Amazon fertig, möchte man ja manchmal nicht nur den leeren *Einkaufswagen* im virtuellen Geschäft zurücklassen, sondern auch selbiges gern verlassen, also je nach Wetter Mütze und Schirm auf und nichts wie raus. Klar, dass man dabei auch sein Portemonnaie oder seinen *Personalausweis* nicht im virtuellen Shop zurücklassen möchte. Kurzum, man möchte sich gern „abmelden“. Das möchte aber Amazon nicht so gern, nein es behält gern an der Rezeption eine große Schale mit Geldbörsen und Personalausweisen, oder zumindest bekommt man diesen Eindruck, wenn man tatsächlich einmal versucht, die Plattform ebenso leicht wieder zu verlassen, wie man sie betreten hat. Lang ist die Suche nach dem richtigen *Menüpunkt*, bevor man den Laden wieder verlassen kann, und nicht so unaufwändig, wie man vielleicht denken sollte. Denn weder beim Einkaufswagen (die stehen doch normalerweise am Ausgang?!) noch unter Marie-Thérèses Amazon oder – die Verzweiflung ist inzwischen schon entsprechend groß – unter *Hilfe* werde ich fündig, sondern unter „Hallo Marie-Thérèse! Mein Konto“.

Das Konto und die 10 Gebote

Wollte ich doch etwas bezahlen? Abbuchungen oder Einzahlungen vornehmen? Nein, es geht ans Eingemachte, denn ich muss, um Amazon verlassen zu können, doch tatsächlich behaupten, dass ich nicht ich bin. „Nicht Marie-Thérèse? Abmelden“ ist die einzig richtige Taste, obgleich sie eine glatte Lüge darstellt. Also nix für ungut mit den *10 Geboten*, Augen zu, draufgeklickt, Augen auf, und tatsächlich: Ich bin raus aus dem Laden!

Wer hätte das gedacht? Facebook kennt kein Gender

Ähnlich lehrreich ist die Erfahrung des Betretens von *Facebook*. Nach Eingabe sämtlicher personenbezogenen Details wird man vor die Wahl gestellt sich als „male“ oder „female“ zu klassifizieren. Verweigert man hier die Aussage (ja, es gibt tatsächlich nur diese beiden Möglichkeiten!), so scheitert die Anmeldung. So tolerant ist das angeblich wurzeldemokratische, minderheitenaffine soziale Netzwerk dann doch nicht.

Neue Unfreiheit und Transparenz

Was lernen wir daraus? Besuche in virtuellen Einkaufs- und Kommunikationsräumen sind nicht unbedingt identitätsstiftend. Sie zwingen uns vielmehr vermeintliche „choices“ auf: Wo vorher Freiheit war, entsteht die Eindeutigkeit, die der Rechner zu Auswertung und Weiterverkauf der Daten benötigt. Und ja, anstatt seine Identität zu verweigern lassen die meisten Kunden doch tatsächlich lieber Personalausweis und Geldbörse offen an der Kasse von Amazon herumliegen.