VON JULIA ZETZ | 26.06.2013 18:42

Ich arbeite also bin ich

Anna hat ihren Traumjob gefunden. Sie liebt, was sie tut. Und sie ist gut darin, sehr gut sogar. Aber das war nicht immer so. Schon während ihrer Ausbildung hat sie merkt, dass ihr der Beruf keinen Spaß macht. Aber aus Vernunft zog sie ihre Ausbildung durch. Sie arbeitete einige Jahre in ihrem Beruf weiter. Aber diese Jahre waren hart. Zähes Aufstehen am Morgen, kaugummiartige acht Stunden im Büro und nach Feierabend war sie so geschafft, dass sie nur noch schlafen wollte. Sie tingelte von Arbeitgeber zu Arbeitgeber, doch nirgends wurde es besser. Dann zog sie einen Schlussstrich unter ihr altes Arbeitsleben und wagte einen Neuanfang. Doch nicht jeder hat den Mut oder das Quäntchen Glück einen beruflichen Neustart zu wagen oder einen Job zu haben, der erfüllend ist. Würde René Descartes heute sagen: „Ich arbeite also bin ich!“?


Jung, ledig, arbeitslos

Arbeit als Messeinheit

Die Jobcenter sind voll, die Warteschlangen lang. Wer heute zum Arbeitsamt muss, der tut das zumeist nicht, weil er faul ist, sondern weil er keine andere Wahl hat. Und wer heute Arbeitslosengeld oder Hartz IV bezieht, der muss sich mit vielen Vorurteilen auseinander setzen. „Die sind doch alle nur faul und haben keinen Bock auf Arbeit!“, ist die einhellige Meinung vieler Menschen. Messen wir also Leistung und Arbeitswillen an der Länge der Warteschlange vor dem Jobcenter?

Marie ist 25 und arbeitslos. Sie gehört zu den jungen, motivierten und gut ausgebildeten Jungabsolventen, mit herausragenden Noten, Motivation und Ehrgeiz, die nach dem Studium keinen Job finden. Schon während dem Soziologie-Studium hat sie diverse Praktika und Nebenjobs gemacht. Weil sie Berufserfahrung sammeln wollte, sagt sie heute. Was hat es ihr gebracht? „Überhaupt nichts, ganz im Gegenteil. Weil ich nie einen richtigen Job hatte, bieten mir die Firmen nur schlecht oder gar nicht bezahlte Hiwi-Jobs an.“, so Marie.

Von Selbstzweifeln und Versagensangst

Darf sich in der Gesellschaft nur derjenige behaupten, der arbeitet? Haben nur die Menschen einen gesellschaftlichen Stellenwert, die einen Job haben? Offensichtlich schon, denn wenn wir einen Blick auf Menschen werfen, die im öffentlichen Leben stehen und ein gewisses Ansehen genießen, dann werden wir feststellen, dass sie alle eines gemeinsam haben: einen Job. Mal abgesehen von den Menschen, die sich unter der Woche, in den bekannten Nachmittags-Talk-Shows als glückliche Arbeitslose präsentieren.

Auch Marie gehört zu den Menschen, die unter ihrer Situation leiden. Von Freunden und der Familie hört sie immerzu: „Jetzt such Dir doch mal einen Job. Du hast doch studiert!“. Und genau das ist das Problem. Wer einen Bachelor- oder Masterabschluss in der Tasche hat, der möchte auch gerne einen entsprechenden Job. Marie wäre gerne Journalistin geworden. Sie dachte, die vielen Praktika würden ihr helfen.

Oft denkt sie über ihre Situation nach und fragt sich, warum sie keinen Job findet. Sind ihre Noten zu schlecht? Hat sie sich nicht genug angestrengt? „Es gibt Tage, da plagen mich Selbstzweifel. Dann werde ich doch einmal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und habe schreckliche Angst gleich beim ersten Treffen zu versagen.“, sagt Marie.

Jeder Mensch definiert sich selbst durch Dinge, die er gut kann. Manche Menschen identifizieren sich durch ihre Arbeit. Und das ist auch gut so, dennoch sollte hier ganz besonders der Grundsatz gelten: „Du sollst nicht von dir auf andere schließen.“. Denn nicht jeder, der beim Jobcenter in der Warteschlange steht, tut das aus freiwilligen Stücken.