VON SUSANNE BREM | 19.10.2016 14:51

Hetz- und Treibjagd auf Reineke Fuchs: notwendig, überflüssig, Tradition?

Knapp eine halbe Million Füchse werden jedes Jahr bei der Jagd getötet. Verbände und Fürsprechende rechtfertigen das gezielte Töten der roten Wildhunde mit verschiedenen Gründen, Tierschütz und andere Gruppen halten vehement dagegen. Während in England das geltende Verbot ignoriert und Füchse weiter gehetzt und getötet werden, führt Genf vor, dass ein weiträumiges und absolutes Unterbinden der Jagd funktioniert – und das, allen Kritiken und Vorwürfen zum Trotz, sogar sehr gut. Wie sieht das im Detail aus? Und wieso bestehen dennoch so viele auf der Jagd als Notwendigkeit?

Vor knapp 14 Jahren sorgte in Großbritannien ein Gesetz für Aufsehen und langanhaltende Proteste: Die Fuchsjagd zu Ross mit abgerichteten Hunden sollte, im mehrheitlichen Sinne des Volkes und nach über 700 Stunden Debatte im Parlament, verboten werden. Die Upper Class ging auf die Barrikaden, wiederholt kam es zu Straßenprotesten mit Polizeieinsatz; am Tag der finalen Abstimmung 2002 lehnten sich 400.000 Personen gegen das kommende Verbot auf und drangen sogar ins Plenum des House of Commons ein. Tony Blair setzte schließlich mit der Holzhammermethode das Verbot des Hunting Acts an Füchsen mit Hundemeuten durch (gültig ab 2005). Gejagt wird auf den britischen Inseln trotzdem bis heute, strafrechtlich verfolgt wird das dagegen kaum – der guten Lobbyarbeit der Jagdverbände zum Dank.

Nur wenige und lückenhafte Gesetze gegen Fuchsjagd

Verboten ist dort lediglich das Jagen mit mehr als zwei Hunden sowie das absichtliche Jagen und Töten eines Fuchses. Nach wie vor allerdings ist zum Beispiel die Jagd mit Kastenfallen erlaubt, die vorgeblich „unversehrt fangen“ beziehungsweise direkt töten soll; noch immer werden Füchse außerdem gefangen, damit in Schliefanlagen am lebenden Objekt Jagdhunde abgerichtet werden können. In einem Betonbau mit Rohren und Gängen soll dabei die Jagd in einem Fuchsbau imitiert werden. Wie zuvor auch werden abgerichtete Hunde in den Wald gelassen, um ihre Jagdfähigkeiten zu erhalten und weiter zu schulen – wenn dabei ein Fuchs „versehentlich“ erlegt wird, wer kann es schon nachweisen? Als geplantes Schlupfloch sehen Tierschutzverbände solche Ausnahmen im Gesetz. In den meisten anderen Ländern der EU gibt es dagegen nicht einmal eine Schonzeit für Rüden und Welpen (die Ausnahme: Berlin). Jagdverbände etwa begrüßen und rechtfertigen das mit verschiedenen Argumenten: zum Schutz vor Tollwut, um den Fuchsbestand nicht überhand nehmen zu lassen, um das Aussterben der Feldhasen zu verhindern oder aus alter Tradition.

Gegner und Generinnen lesen darin lediglich Ausreden für die Lust am Jagen und Töten. Gerade Naturschutz und Populationsregelung als Gründe anzuführen, stößt dem Tierschutz auf: Wenn Sozialverbände zerschossen werden, gehen kontrollierende Strukturen wie Reviere kaputt. Füchse schließen sich üblicherweise zu kleinen Familienverbänden zusammen, bestehend aus dem Rüden, der Füchsin und den einjährigen weiblichen Nachkommen. Gerade diese Konstellation reguliert die Nachkommenanzahl, da hier nur die „Haupt-Füchsin“ Junge zur Welt bringt und die anderen nicht. Wird dieses Gefüge zerrissen, fallen die damit verbundenen regulierenden Strukturen auseinander, die Wege der Füchse trennen sich, sie ziehen einzeln umher – die Welpenzahl pro Wurf erhöht sich dadurch.

Evolution: Erfolg durch Vielfalt

Seit über 40 Jahren jagdfreie Zone: der Kanton Genf

Dass die Fuchsjagd nicht so zentral für die Regulierung des Tierbestandes ist wie beispielsweise Jagdverbände häufig behaupten, zeigt das Gebiet Genf in der Schweiz, in dem die allgemeine Jagd auf Säugetiere und Vögel seit 1974 streng verboten ist. Das haben zwei Drittel der dort lebenden Menschen in einer Volksabstimmung entschieden, nachdem das Großwild durch Jagd beinahe ausgerottet war und Kleinwild wie Kaninchen und Rebhühner sehr selten geworden waren. Anders als in Großbritannien wurde dazu auch eine Kommission gegründet, damit die Regierung nicht über Ausnahmen entscheidet und Schlupflöcher schaffen kann.

Das Beispiel Genf zeigt: Die Natur reguliert sich selbst, die Population der Tierwelt bleibt langfristig recht stabil, Krankheit und Nahrungsangebot sind natürlich regelnde Faktoren. Was sich daraus entwickelt hat: eine sehr hohe Biodiversität, ein vielfältiges Vogelschutzgebiet um den Genfer See (zum Beispiel mit dem mittlerweile einzigen Rebhuhnbestand der Schweiz) und insgesamt deutlich weniger scheuen Waldtieren, die auch tagsüber unerschrockener aus ihren Verstecken kommen. Selbst der Hasenbestand ist größer geworden, obwohl laut Pro-Jagd-Argumentation diese durch unbeschossene Füchse als Beute hätten radikal dezimiert sein müssen. Die Vorteile all dessen: Nicht nur kann die Natur so eine breitere Vielfalt herausbilden; auch wird sie dabei für den Menschen wieder viel leichter und direkter erlebbar, er bekommt ein besseres Verständnis für die Natur und ihre Zusammenhänge.

Und die landwirtschaftlichen Schäden, die mit der höheren Tierdichte kommen? Bäuerliche Bertiebe erhalten Ausgleichszahlungen für kaputte Weinreben, Sprösslinge und Plantagen. Es scheint, dass hier an alle gedacht ist – Tier wie Mensch. Genf legt damit ein Konzept vor, das seit 42 Jahren funktioniert; und vermutlich auch in anderen Regionen funktionieren würde, wenn die Regierungen es konsequent verfolgen würden.