VON RICHARD KEHL | 14.12.2010 10:10

Eingeschränkte Freiheit im Netz

Der freie Austausch von Informationen und Meinungen im Netz, z.B. unter Studenten, macht Regierungen nervös, die ihren Bürgern lieber vorschreiben wollen, über was und mit wem sie kommunizieren dürfen.

Menschen tauschen sich im Internet aus, setzen sich über Regierungsvorhaben hinweg und organisieren sich selbst. Jüngste Beispiele: „Stuttgart 21“. Welche Macht Informationsaustausch innerhalb der Bevölkerung haben kann, bekommen Politiker immer wieder zu spüren. Wikileaks ist für viele Regierungen der Supergau.

Noch nie war die Welt so vernetzt wie heute. Studenten aus verschiedenen Ländern können schnell und einfach miteinander in Kontakt treten, Informationen austauschen, sich organisieren. Virtuelle Hörsäle sind auf dem Vormarsch. Die neuen Medien machen es möglich. Doch etliche Staaten versuchen mit unterschiedlichen Methoden, die neuen Medien, allen voran das Internet, in ihre Kontrolle zu bekommen.

Eine Alters-Verifizierung von Internetseiten für das neue Jugendschutzgesetz tritt im Januar 2011 in Kraft. Mit Postident, Personalausweis-Lesegeräten, sollen hierzulande Internetgeschäfte transparenter und gleichzeitig das Netz kontrollierbarer gemacht werden. Datenschützer sind alarmiert, zumal Hacker bereits bewiesen haben, dass der neue Personalausweis keinesfalls vor Fälschung oder Missbrauch im Internet schützt.

Kritiker behaupten sogar, Panikmache und Terrorwarnungen beruhen auf der Absicht, die Vorratsdatenspeicherung durchzusetzen. Als die Diskussion der Vorratsdatenspeicherung das erste Mal aufgekommen ist, wurde auch Terroralarm in Deutschland gegeben.

Familienministerin Ursula von der Leyen forderte eine Zensur, Innenminister Wolfgang Schäuble sieht im Internet eine Ansammlung von potenziellen Kriminellen und Terroristen.

Zwar zählt Deutschland - im Gegensatz zu anderen Ländern - zu den Staaten, in denen das Internet frei zugänglich ist. Doch auch hierzulande findet ein langsamer, aber stetiger Kontroll-Prozess statt. Es gibt immer weniger Foren, und Blogs und andere Internetseiten werden durch neue Jugendschutzverordnungen "gegängelt". Bei der Suche im Internet landet man immer öfter auf Produktseiten von kommerziellen Anbietern, statt bei den gesuchten Informationen. Ein Klick auf ein Produkt verfolgt einen anschließend mit Werbung in Form von Google Ads etc. Auch bekommt man immer öfters zu lesen, dass dieser Content im jeweiligen Land nicht verfügbar sei.

Schlimmer allerdings geht es in anderen Staaten zur Sache. In Aserbeidschan wurden im Juli 2010 die Blogger Adnan Hajizade und Emin Milli inhaftiert. Sie machten mit einem satirischen Video über ihre Regierung von sich reden. Diese wird darin von den eigenen Medien gelobt, während unabhängige Journalisten bei der Informationsbeschaffung gegängelt und sogar angegriffen wurden. Dadurch drohen den Bloggern nun bis zu 5 Jahre Haft. Derzeit sitzen 93 Online-Aktivisten hinter Gittern. Mehr als die Hälfte davon stammt aus China, darunter auch viele Studenten.

China und auch Nordkorea werden häufig als Beispiele für eingeschränkte Informations-Freiheit - auch im Netz - kritisiert. In der Hauptstadt Nordkoreas gehen zum Beispiel um 22:00 Uhr die Lichter aus. Alle Karaoke-Bars, in denen primär Propagandsongs gesungen werden dürfen, schließen: Sperrstunde. Der Bevölkerung bieten sich kaum Möglichkeiten zur Information oder Freizeitgestaltung. Das Internet wäre eine Option, unterliegt aber wie die anderen Medien in Nordkorea einer strengen Kontrolle und Zensur.

In totalitären Staaten wie Nordkorea werden unabhängige und kritische Stimmen nicht geduldet. Wer ausländische Nachrichten verfolgt und regierungskritische Informationen verbreitet, dem drohen bis zu zwei Jahre Arbeitslager. Bei schweren Verstößen sogar bis zu fünf Jahre im sogenannten kommunistischen "Umerziehungslager". Das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsbeschaffung existiert in Nordkorea nicht. In der Türkei greift der Staat ein und zensiert Youtube, Facebook und andere Seiten. Die Gaming-Applikation Farmville wurde Ende September vom türkischen Facebook verbannt. Gerüchten zufolge soll das Versenden von "minderwertigen" Tieren wie Hase, Huhn, Enten etc. das Missfallen von Behörden auf sich gezogen haben. Auch viele Videos und andere Inhalte wurden von der türkischen Telekommunikationsbehörde zensiert. Allerdings gibt es auch hier Mittel und Wege, solche Zensuren und Kontrollen zu umgehen.

Reporter ohne Grenzen haben eine Liste erstellt mit den sogenannten "Feinden des Internets". Dazu zählen: die Organisation Myanmar, China, Kuba, Ägypten, Iran, Nordkorea, Saudi-Arabien, Syrien, Tunesien, Turkmenistan, Usbekistan und Vietnam. Unliebsame Internetnutzer werden hier systematisch verfolgt.