VON CLEMENS POKORNY | 04.12.2015 12:37

Fair, fairer, Shiftphone?

Nach dem Fairphone gibt es seit 2015 mit dem Shiftphone eine weitere Alternative zu iPhone und anderen Smartphones für kritische Konsumenten. Das neue Gerät will noch fairer produziert sein und lädt zur selbstständigen Reparatur ein. Doch belegt ist die neue Fairness bisher kaum. Und darüber hinaus können wir uns die Frage stellen: Wenn ich schon Umweltzerstörung und unnötigen Müll vermeiden will, warum muss ich mir dann überhaupt ein solches Produkt kaufen?

Smartphones sind in aller Hände – und die meisten Besitzer dieser Hände wissen, dass ihr geliebtes elektronisches Spielzeug auf moralisch nicht gerade vorbildliche Weise gefertigt wurde. Wem das nicht egal ist, der hat seit Winter 2013/2014 mit dem „Fairphone“ eine Alternative mit gutem Gewissen inklusive (UNI.DE berichtete). Seit kurzem gibt es nun ein Konkurrenzprodukt: das Shiftphone aus Hessen, Ergebnis einer 2014 sehr erfolgreich abgeschlossenen Crowdfunding-Kampagne. Doch was macht es besser als das Amsterdamer Fairphone?

Was ein fair produziertes und gehandeltes Produkt ausmacht, ist ja Interpretationssache. Und genauso, wie „Fairtrade“-Produkte aus dem Discounter niedrigeren Standards genügen als Gepa-Waren, gibt es eben „faire“ Smartphones mit unterschiedlichen Fairtrade-Anteilen. Fairphone verlangt von seinen Herstellern vor allem humane Arbeitszeiten und hinreichenden Schutz am Arbeitsplatz, während Shiftphone den Arbeitern erheblich höhere Löhne zahlt. In den meisten Smartphones ist das Konfliktmineral Coltan verbaut, dessen Förderung etwa in der Demokratischen Republik Kongo zu massiver Umweltzerstörung und brachliegender Landwirtschaft führte und Geld in die Taschen der lokalen Warlords spült. Zwar verwendet Fairphone nur konfliktfreies Coltan – doch Umweltschäden lassen sich nun mal beim Bergbau kaum vermeiden. Shiftphone kommt gänzlich ohne das gefährliche Erz aus. Und ein weiteres Alleinstellungsmerkmal zeichnet die Produkte von Shift aus: Sie lassen sich problemlos aufschrauben, sodass Ersatzteile wie neue Akkus leichter eingesetzt werden können als bei gewöhnlichen Anbietern, die jedes selbstständige Herumschrauben ihrer Kunden mit Garantieverlust bestrafen. Statt wie andere Hersteller die Kunden geradezu dazu zu zwingen, in kurzen Abständen eigentlich noch gut funktionierende Geräte wegzuwerfen, und auf diese Weise nicht-nachhaltigen Konsum zu forcieren, ermuntert Shift seine Käufer zur Selbsthilfe. Dafür gibt es ein Wiki, Video-Tutorials und die Möglichkeit, Ersatzteile zu bestellen.

Ausbeutung: Günstiger Mensch, teure Maschinen

Der Preisunterschied zwischen den beiden fairen Telephonen macht stutzig – das für rund 530 Euro erhältliche „Fairphone 2“ ist technisch dem „Shift7+“ vergleichbar, letzteres kostet aber nur 299 Euro. Dabei schlüsselt Shift die Zusammensetzung des Preises auf (beispielsweise decken 50% die Produktions- und Transportkosten). Doch es bleibt die Frage, warum sich die beiden fairen Geräte preislich derart unterscheiden. Und Belege für die Fairness in der Produktion hat Shiftphone-Gründer Carsten Waldeck bislang nicht vorgelegt – das könnte aber daran liegen, dass entsprechende Kontrollen und Zertifizierungen noch zu teuer für das Startup-Unternehmen sind.

Ganz offensichtlich bemühen sich wenigstens einzelne Akteure der Elektronikindustrie, an deren in puncto Produktionsbedingungen schlechten Image zu arbeiten. Shiftphone will zudem zur Müllreduzierung und -vermeidung beitragen. Doch mal ganz ehrlich: Könnte man nicht auf Smartphones überhaupt verzichten? Handys und Computer lassen sich aus unserer heutigen Welt nicht mehr wegdenken; mit Mobiltelephonen lässt sich im Notfall überall schnell Hilfe holen und Computer haben viele Tätigkeiten in revolutionärer Weise einfacher und effizienter gemacht. Doch ist die Kombination aus beiden, das Smartphone, für diejenigen, die es nicht beruflich dringend benötigen, nicht ein teures und in jedem Fall umweltfeindliches Spielzeug, das zudem unsere schon allzu sehr geteilte Aufmerksamkeit weiter fragmentiert und geeignet ist, uns ständige Erreichbarkeit aufzuzwingen?