VON JANINA TOTZAUER | 14.11.2016 13:07

Elektroschrott: Kostbares Gift

Wir trennen Glas von Metall, Plastik von Kompost. Wir sammeln Pfandflaschen und kratzen das kleine Papieretikett vom Joghurtbecher. Das Trennen von Müll gehört für viele Deutsche zum Alltag, doch kaum einer macht sich über seinen Elektroschrott Gedanken. Wie gefährlich und wertvoll ein defektes Mobiltelefon ist und was ein kleiner Junge in Ghana mit einem deutschen Druckerkabel zu tun hat, weiß UNI.DE.

Eine dumme Bewegung und es ist schon wieder passiert. Das Smartphone liegt in Einzelteilen auf der Straße, verschwindet in der Kloschüssel oder kullert gekonnt die Kellertreppe runter. Nach so einem Unglücksfall versucht so manch einer das Wichtigste noch beim Reparaturdienst zu retten, wird aber mit den Worten abgespeist, dass die Reparatur teurer als die Anschaffung eines neuen Smartphones sei. Ansprechend glitzern da die neuen Modelle in den Auslagen der Mobilfunkunternehmen, die sofort zu haben sind. Wer sich ein braves Mitglied der Konsumgesellschaft nennen möchte, muss da nicht lange überlegen: Nur wenige Minuten und einige Hundert Euro später steckt die Sim-Karte im neuen Smartphone, während das alte in den Müll wandert und in Vergessenheit gerät.

Zeitgleich rund 7.000 Kilometer weiter südlich erhellen giftgrüne Flammen den Abendhimmel über der Küste von Accra, der Hauptstadt von Ghana. Kinder stochern mit Stöcken in den Flammen und springen schließlich auf den letzten Funken herum, bis sie erloschen sind. Aus der Asche fischen sie die kupfernen Überreste eines Computerkabels, die sie für einige Cents weiterverkaufen können. Ihre jungen Lungen atmen schwer die Schwaden von Quecksilber und Dioxin, die Haut zeigt abnormale Verfärbungen. Unter ihren Füßen fließen Blei, Arsen und Beryllium ungestört in das Grundwasser. Die Kinder arbeiten auf einer der größten Elektroschrottdeponien der Welt.

Im Durchschnitt hat ein Smartphone in Deutschland eine Lebenserwartung von zweieinhalb Jahren. Vergleichbar kurzlebig sind Drucker, Laptops, Fernsehgeräte, Kameras, DVD-Player und Küchengeräte. Durchschnittlich produzierte jeder Mensch im Jahre 2014 sechs Kilogramm Elektro-Müll. Zehn bis zwanzig Prozent unseres Elektroschrotts landen illegal auf einer Deponie wie jener in Ghana, statt - wie gesetzlich vorgeschrieben - recycelt zu werden. Das Innere unserer ehemals heiß geliebten Devices birgt auch nach ihrem Tod noch wahre Schätze. So enthält ein Handy rund 0,025 Gramm Gold, 0,17 Gramm Silber und 8,25 Gramm Kupfer; eine ganze Elektroschrott-Deponie ist somit eine wahre Goldgrube. Durch ein optimales, legales Recycling in Deutschland können nicht nur wertvolle Metalle wiederverwendet werden, wir machen uns auch unabhängiger von Importen aus anderen Ländern wie China, den USA oder Russland.

Todesursache Umweltverschmutzung

Wohin mit dem kaputten Handy?

Wenige Deutsche sind sich über die Dringlichkeit der gesonderten Entsorgung von Elektroschrott bewusst. Wer hat nicht schon einmal unwissenderweise das alte, defekte Ladekabel oder die Druckerpatrone im Hausmüll entsorgt? Viele Geräte enden so auf Umwegen in Schiffscontainern nach Afrika. Ein Recherche-Team hat das Experiment gewagt und einen defekten Fernseher mit einem GPS-Gerät ausgestattet. Die weite Reise des Gerätes von Hamburg nach Afrika kann man auf schrottfernseher.de miterleben. Wer sichergehen möchte, dass der eigene Fernseher nicht zum langsamen Tod eines jungen Menschen in Afrika beiträgt, bringt ihn kostenfrei zum kommunalen Wertstoffhof oder seinem Händler des Vertrauens. Seit der Durchsetzung des neuen Entsorgungsgesetzes 2015 sind größere Händler verpflichtet, defekte Geräte anzunehmen und zu entsorgen. Noch einfacher macht es uns die Post: Kleinere Geräte wie Handys können einfach in einen Großbrief gesteckt und mit einer kostenfreien Versandmarke bestückt in den Briefkasten geschmissen werden.

Was bringt die Zukunft?

Die Zukunft des Elektroschrotts sieht nicht rosig aus. Im Jahre 2014 produzierte der Mensch weltweit etwa 42 Millionen Tonnen E-Müll. Doch viele Länder wie China und Indien stehen erst auf der Schwelle zum digitalen Zeitalter. Sobald die Nutzung von Elektrogeräten auch dort zunimmt, ist eine Flut an Elektroschrott zu erwarten. Um ein Gerät leichter reparierbar zu machen, sind modulare Systeme ein wichtiger Punkt im Kampf gegen den Elektroschrott. Ist die Tastatur defekt, kann diese in einem modularen System vom Konsumenten selbst erneuert werden. Das Gerät kann weiter benutzt werden und landet nicht im Müll. Eine weitere nachhaltige Methode weniger Elektroschrott zu produzieren, wäre eine längere Haltbarkeit elektrischer Geräte. Seit Jahrzehnten sorgt die sogenannte "geplante Obsoleszenz" für besorgte Umweltschützende und verkaufsstarke Produzierende. Das Design vieler Geräte beinhaltet eine Schwachstelle, die die Lebensdauer deutlich herabsetzt. Ob dieser Mangel jedoch geplant ist oder auftritt, weil das Produkt so kostengünstig wie möglich produziert wird, kann kaum einem Unternehmen nachgewiesen werden. Das Ergebnis ist das gleiche: Ungezügelter Konsum und Unmengen an Elektroschrott. Damit wir in Zukunft nicht in Bleiseen schwimmen und uns über Kadmiumfeuern wärmen, muss schon heute nachhaltiger designt und konsumiert werden. Die Zukunft des Elektroschrotts liegt im Recycling und nicht in den Lungen eines jungen Afrikaners. Irgendwo in Deutschland warten Tausende von kaputten Druckern und ausgedienten Ladekabeln in Kellerabteilen und untersten Schubladen auf ihre letzte Reise. Damit diese sie nicht in die Grundwässer Afrikas führt, denken Künstler wie Alessio di Marchi oder Francois Knoetze in eine ganz andere Richtung. Sie hauchen den Totgeglaubten neues Leben ein.

Bild: "Agbogbloshie". Von Agbogbloshie Makerspace Platform - flickr.com
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