VON SUSANNE BREM | 20.08.2016 12:57

Drohende Armut im Rentenalter: Bietet die gesetzliche Grundsicherung genug Schutz davor?

Nicht mehr genug Geld, um Essen und Kleidung zu kaufen, um Hobbys zu pflegen, mit Kino-, Schwimmbad-, Theater- oder Cafébesuchen ein sozial aktives Leben zu führen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen – das ist bei Altersarmut bittere Realität. Aber wie kann es sein, dass selbst Menschen, die über 40 Arbeitsjahre hinweg Beiträge eingezahlt haben, im Rentenalter nicht genug zurückbekommen, um ein menschenwürdiges Leben zu führen? Und wo bleiben dann diejenigen ab, die gar nichts einzahlen konnten? An diesem Punkt setzt die Grundsicherung an: Sie soll finanzielle Defizite ausgleichen, um vor Armut im Alter zu schützen. So die Theorie – aber funktioniert das auch in der Praxis?

Eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes NRW (DGB) sieht bis 2030 bereits jeden Dritten in Deutschland von Altersarmut bedroht. Die Hauptprobleme, die das verursachen, finden sich in der Veränderung der Erwerbstätigkeiten: viele unsichere, prekäre und schlecht bezahlte Arbeitsstellen, geringfügige Jobs, befristete Verträge, Niedriglöhne, Langzeitarbeitslosigkeit, Teilzeitarbeit, Solo-Selbständigkeit. Hinzu kommen immer mehr Frührentner, die wegen seelischer Erschöpfung ihre Erwerbstätigkeit früher als vom Staat vorgesehen beenden und so Beitragsjahre verlieren. Die Bedürftigkeit liegt oft in der geringen Rentenhöhe, noch öfter allerdings im Fehlen von Ansprüchen; für Mütter zum Beispiel, die für ihre Kinder lange Auszeiten genommen haben oder in die Teilzeitbeschäftigung gewechselt sind: Für sie wird es unmöglich, im Alter auf das soziokulturelle Existenzminimum zu kommen und mit ihrem verfügbaren Geld nicht nur zu überleben, sondern tatsächlich auch zu leben. Immer mehr ältere Menschen können sich nicht einmal mehr eine warme Mahlzeit täglich leisten. Die Politik hat es bisher versäumt, auf die neuen Strukturen auf dem Arbeitsmarkt zu reagieren.

Hilfe aus der Armut mit staatlicher Grundsicherung?

Bereits heute liegt jede zweite bezogene Rente unter 700 Euro, was lediglich als Basisversorgung gilt. Aus diesem Grund wurde 2003 die staatliche Grundsicherung eingeführt: Sie umfasst mittlerweile im Höchstfall knappe 400 Euro monatlich und steht all denjenigen zu, die ihren Lebensunterhalt im Rentenalter nicht selbst bestreiten können. Ist die Grundsicherung nun ein Rettungsanker für Armut im Alter? Wohl eher nicht; wer kann schon ein sozial aktives Leben führen, Essen und Kleidung bezahlen, ins Kino oder auf ein Konzert gehen, ins Museum, ins Freibad, Geld für ein Hobby ausgeben, wenn da monatlich im schlimmsten Fall nur 400 Euro sind? Auch Dazuverdienen hilft wenig: Wer sich einen 450-Euro-Job sucht, darf davon nur zusätzliche 135 Euro behalten, denn der Lohn wird mit der Grundsicherung verrechnet. Was ist nun etwa mit Frauen, die sich jahrelang in Vollzeit der Kindererziehung verschrieben haben, die statt einer Erwerbstätigkeit bewusst die Rundumbetreuung eines Menschenlebens gewählt haben? Zählt es doch zu den wertvollsten und verantwortungsvollsten Aufgaben überhaupt, junge Menschen zu prägen und zu formen, die schließlich die Zukunft unserer Gesellschaft bestimmen – mit 400 Euro Grundsicherung im Alter wird das alles andere als gewürdigt. Was sagt das über unser System aus? Am meisten sind wohl diejenigen wert, die wirtschaftliche Beiträge leisten. An anderen Punkten werden Menschen durch das Raster fallen gelassen.

Soziale Arbeit mit Senioren

Lösung: Vorsorgemöglichkeiten verbessern

Dabei gibt es Ansätze, um einen Anstieg der Altersarmut künftig abzuwenden oder zumindest einzudämmen. Dazu zählen etwa eine Reform der Minijobs, damit auch hier Rentenansprüche aufgebaut werden können; Langzeitarbeitslosen müssen mehr Chancen geboten werden, den Weg zurück in die Erwerbstätigkeit zu finden. Auch der Einzelne kann sich einbringen: Akzeptanz, Toleranz und Verständnis sind etwa wichtige zwischenmenschliche Eigenschaften, wenn es um altersgerechte Arbeitsplätze geht oder um die Anerkennung von geleisteter Arbeit; ob da nun ein Arbeitgebender finanziell dafür entlohnt hat oder nicht, wie etwa im Falle von Vollzeitmüttern oder Menschen, die ihre kranken Eltern pflegen. An diesem Punkt muss auch der Staat ansetzen und nicht nur denen helfen, die (geringe) finanzielle Beiträge geleistet haben; er muss auch beginnen, langjährige Arbeit auf anderen Ebenen (wie Kindererziehung) wertzuschätzen und einzubeziehen; insbesondere, wenn genau diese von Erwerbstätigkeit abgehalten hat. Menschen im Alter finanziell ein würdiges und sozial erfüllendes Leben zuzugestehen und zu ermöglichen, wäre damit ein wichtiges Zeichen von Respekt und Anerkennung für ihr Leben und ihre individuellen Leistungen.