VON MAXIMILIAN REICHLIN | 02.01.2015 14:30

Nun lass mal den Laden im Dorf – Über DORV und Genossenschaftssupermärkte

Die deutsche Nahversorgung stirbt langsam aus – in den Dörfern und in den dünner besiedelten Stadtteilen. Immer mehr Spezialgeschäfte machen dicht, Supermärkte geben unrentable Standorte auf. Oft stirbt dadurch auch das Gemeinleben, immer mehr Menschen ziehen vom Land in die großen Städte. Einige Gemeinden nehmen das Problem kurzerhand selbst in die Hand und sorgen für eine furiose Wiederbelebung der Tante-Emma-Läden. Genossenschaftsmärkte und ähnliche Konzepte werden immer beliebter. UNI.DE berichtet über einen Trend.

Es läuft oft nach dem gleichen Schema ab: Zuerst schließen die Inhabergeführten „Spezialisten“, etwa Bäcker und Metzger, in einer zweiten Welle dann die größeren Supermärkte, weil die Nachfrage ausbleibt. Ein „Sterben von Innen nach Außen“, nennt es Uwe Brandl, Präsident des bayerischen Gemeindetages und benennt dadurch ein großes Problem: Die Nahversorgung mit Lebensmitteln und Waren wird auf dem Land immer undichter, und nicht nur dort: Auch dünner besiedelte Viertel größerer Städte sind von der Problematik betroffen. Das Ergebnis: Die Einwohner müssen immer weiter fahren, um einzukaufen, gerade für ältere oder behinderte Kunden ein großes Problem.

Online-Shopping: Katastrophaler Kaufrausch?

Auch Dienstleister wie Banken, Apotheken oder Postfilialen werden immer seltener, was das Leben im Viertel enorm beeinflussen kann. Die ZEIT berichtete vom kleinen Stadtteil Barmen in Jülich bei Düren. Hier stand das Ende des Gemeinlebens kurz bevor, bis die knapp 1.400 Einwohner die brüchige Nahversorgung in die eigene Hand nahmen. Ein kleiner Kaufmanns-Laden brachte die Rettung, vereinte die Einkaufsmöglichkeit mit einem Post-, Bank-, Arzt- und Apothekenservice und einem kleinen Café. Einzelunternehmen und Bauern aus der Umgebung unterstützen das Projekt, das Angebot ist gut. Wichtiger ist jedoch: Durch das kleine Café hat Barmen nun wieder eine Begegnungsstätte, in Zukunft sollen dort auch Kulturveranstaltungen stattfinden.

„Dienstleistung und ortsnahe Rundum Versorgung“ nennen die Barmener ihren Tante-Emma-Laden, oder kurz DORV. Das Konzept setzte sich schnell durch. Gründer Heinz Frey berät mittlerweile andere Gemeinden, die auch bei sich einen DORV-Laden errichten wollen, bringt ihnen die „5 Säulen“ bei: Lebensmittelversorgung, Kommunikation, Dienstleistungen, soziale und medizinische Versorgung und ein Kulturangebot. „Jede von ihnen muss vertreten sein,“ so Jürgen Spelthahn, Projektleiter bei DORV. Oberstes Gesetz ist außerdem: Das Konzept kann nur aufgehen, wenn es von den Dorf- oder Stadtteilbewohnern selbst getragen wird. Da geht es nicht nur um die Finanzierung, auch die Frage, ob und welche Dienstleistungen gebraucht und schließlich angeboten werden sollen, muss vom Kollektiv der Bewohner geklärt werden.

Der Erfolg gibt den DORV-Gründern Recht. Nach der Eröffnung des ersten Ladens in Barmen, zogen viele Gemeinden mit ähnlichen Projekten nach: Die Einwohner der Dörfer und Stadtviertel investieren plötzlich selbst in die kleinen Läden oder schließen sich in Genossenschaften zusammen, wie 2008 im Dorf Resse in Niedersachsen. Hier zählt die Initiative „Bürger für Resse“ bereits über 500 Mitglieder, Tendenz steigend. In Eigenregie kümmern sich die Anwohner „mit viel Herzblut“ um ihren Tante-Emma-Laden.

Zwar könne der Umfang der Angebote nicht mit den großen Supermarktketten und Discountern mithalten, doch das sei vielen Kunden nicht wichtig, so Ullrich Thiemann vom Niedersächsischen Handelsverband. „Der Verbraucher hat erkannt, dass es nicht immer Masse sein muss.“ Und auch Sabrina Heckmann vom Kölner Institut für Marktforschung erkennt gerade in den größeren Städten einen Gegentrend zum immer noch laufenden Ladensterben: „Konsumenten fordern wieder verstärkt Qualität, Beratung und Regionalität.“ So bescheinigen die Experten dem Konzept der Genossenschaftsmärkte eine große Zukunft.