VON MAXIMILIAN REICHLIN | 09.02.2015 12:16

Bildung für sozial Benachteiligte – Über die Obdachlosen-Uni in Berlin

Die Obdachlosen-Uni in Berlin ist ein Projekt, das seit vier Jahren Wohnungs- und Obdachlosen dabei helfen soll, einen Zugang zur Bildung zu bekommen. In gemeinsamen Kursen, Workshops und Seminaren können sich die auf der Straße lebenden treffen, gemeinsam lernen und Wege finden, von der Straße wegzukommen. Die hauptsächlich ehrenamtliche „Uni“ wurde nach dem Vorbild einer ähnlichen Idee aus Österreich konzipiert.

Im Jahr 2011 hat der Diplom-Kommunikationswirt und Blogger Maik Eimertenbrink die Berliner „Obdachlosen-Uni“ ins Leben gerufen. Sein erklärtes Ziel: „Menschen, die den sozialen Boden unter den Füßen verloren haben, Wertschätzung entgegenzubringen und sie an der Bildung teilhaben zu lassen.“ Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet er mit seinem Team und auch mit den Obdachlosen selbst beständig an einer Erweiterung und Verbesserung des Programms. Alle Veranstaltung sind kostenlos und stehen auch Menschen mit festem Wohnsitz zur Verfügung.

Von Betongold bis Leerstand

Was bringt's?

Aktuell umfasst das „Vorlesungsverzeichnis“ hauptsächlich Veranstaltungen, die sich mit Alltagsproblemen beschäftigen: Es werden Kochkurse, PC-Seminare und ein Englischunterricht angeboten, hinzu kommen Freizeitaktivitäten wie eine Theatergruppe, das gemeinsame Fußballspiel oder Musikkurse. Wirklich akademisch wird es noch selten in der Obdachlosen-Uni, doch wird bereits ein geisteswissenschaftliches Philosophie-Seminar angeboten, in dem sich die Obdachlosen über verschiedenste Themen austauschen können.

Auch die Teilnehmer selbst werden aktiv: Neben ehrenamtlichen Mitarbeitern, die meist selbst aus dem Universitätsbetrieb stammen, können auch die Obdachlosen eigene Ideen für Kurse einbringen und diese selbst leiten. Hier werden ehemalige Reiseleiter zu Dozenten für „Länderkunde“, andere bieten Vorträge mit wichtigen Fragestellungen für die Teilnehmer an, etwa: „Wie komme ich von der Straße wieder 'runter?“ Das ist das Fachgebiet von Dozent Klaus Seilwinder. Der ehemalige Obdachlose hat mittlerweile wieder einen festen Wohnsitz und bezieht Arbeitslosengeld, alles dank der Obdachlosen-Uni. „Die Treffen geben erst einmal Struktur“, so der 57-jährige.

Wie kommt's?

Um herauszufinden, dass gerade diese Angebote für die Obdachlosen relevant sein könnten, hatte Eimertenbrink von Mai bis November 2011 eine Umfrage in diversen sozialen Einrichtungen in Berlin durchgeführt. Die anfangs noch zurückhaltende Resonanz, die seitdem von Tag zu Tag wächst, animierte den 36-jährigen zur Erstellung der ersten Programme. Unterstützt wird das Projekt dabei von drei Partnern: der gemeinnützigen Organisation Pfefferwerk, dem Verband für sozial-kulturelle Arbeit und der MUT GmbH für Gesundheit. Mittlerweile arbeitet die Obdachlosen-Uni auch mit der Berliner Volkshochschule zusammen.

Die Idee zum Projekt hatte Eimertenbrink aus Österreich. Dort existiert in Graz seit 2004 die MegaphonUni, ein Projekt, um Sozial-Benachteiligten „einen niederschwelligen Zugang zu universitäräem Wissen zu bieten.“ Ähnlich wie in der Obdachlosen-Uni werden hier Vorträge, Seminare und Workshops zu verschiedensten Themen von und für Obdachlose angeboten. Beiden Projekten wünscht UNI.DE alles Gute und viel Glück für die Zukunft.