VON NORA GRAF | 29.10.2015 19:09

Depression bei Kindern

Klar, dass einschneidende Erlebnisse wie der Verlust einer Bezugsperson oder der Mangel an Geborgenheit an Kindern nicht spurlos vorüber gehen und im schlimmsten Fall zu einer Depression führen können. Doch nicht immer müssen es solch gravierende beziehungsweise einschlägige Ereignisse sein, die dazu führen können, dass Kinder in ein Loch fallen. Die Zahl depressiver Kinder ist in den letzten Jahren rapide gestiegen. Jeder 20. Jugendliche in Deutschland leidet an einer Depression. Woran liegt das?



Depressionen bei Erwachsenen, darunter kann sich jeder etwas vorstellen. Aber wie hat man sich das bei Jugendlichen, Kindern oder gar Kleinkindern, die vielleicht noch nicht einmal richtig reden können, vorzustellen?

Anabel ist 14 Jahre alt und depressiv. Angefangen hat es bei ihr mit 12, als sie zu gar nichts mehr Lust hatte, nur noch im Bett liegen wollte und einfach traurig war. Ihre Mutter führte Anabels Verhalten zuerst auf die Pubertät zurück. Als die Stimmungsschwankungen allerdings zu groß wurden, suchte sie Hilfe bei einem Arzt.

Was genau die Gründe für ihre Depressionen sind, weiß Anabel auch nicht genau oder möchte es nicht erzählen. Sie ist sehr schüchtern. Ihre Mutter berichtet, dass Anabel während ihrer depressiven Phasen denkt, dass sie nichts wert sei und sich alle gegen sie verschworen hätten. Daher war sie fünf Monate lang in einer Tagesklinik, mittlerweile geht sie einmal wöchentlich zu einem Psychologen, zu dem ihre Mutter Anabel manchmal begleitet. Denn die Psychotherapie von Kindern ist gleichzeitig auch immer eine Familienbehandlung.

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Schaut man sich die Statistik der stationären Klinikaufenthalte von depressiven Kindern und Jugendlichen an, so muss man feststellen, dass sich die Zahl versechsfacht hat: Im Jahr 2000 waren 2.145, zwölf Jahre später dann schon 12.567 Jugendliche in stationärer Behandlung. Das liege zum einen an der verbesserten Diagnostik und an einem größeren Bewusstsein für die Krankheit, zum anderen begünstigten aber auch die höheren Leistungsanforderungen in der Schule oder etwa die Trennung der Eltern eine Depression. Überdies könne die inzwischen früher einsetzende Pubertät bei Jugendlichen Depressionen fördern, so die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP).

Doch auch schon Säuglinge oder Kleinkinder können an einer Depression leiden. Je jünger die Kinder sind, desto seltener sind sie depressiv, doch je jünger, desto schwieriger aber auch die Diagnose. Sollte man als Elternteil das Gefühl haben, dass etwas mit dem Sprössling nicht in Ordnung sein sollte, dann lieber einmal zu viel als zu wenig zum Kinderarzt gehen. Denn depressive Kinder können depressive Erwachsene werden.

Stimmungsschwankungen kennt jeder, auch Kinder bilden da keine Ausnahme. Erste Anzeichen dafür, dass es mehr als nur schlechte Laune ist, sind häufiges Schreien und Weinen. Später ziehen sich viele depressive Kleinkinder dann oft zurück. Andere hingegen sind sehr anhänglich und es fällt ihnen schwer, sich von der Mutter zu trennen oder allein zu sein. Fachleute sprechen von einer Depression, wenn Kinder mindestens zwei Wochen lang ohne bestimmten Anlass traurig, lustlos und oft müde sind.

Nach Angaben einer Studie am Hamburger Universitätsklinikum war knapp ein Prozent der Vier- bis Sechsjährigen depressiv. In dieser Altersgruppe kann ein Kind zwar schon über seine Gefühle sprechen, doch es fällt ihm schwer, über Traurigkeit oder andere negative Emotionen zu reden. Wenn es also oft an sich selbst zweifelt, auffällig ängstlich erscheint, schlecht schläft und isst und zum Teil auch über körperliche Symptome wie Kopf- und Bauchschmerzen klagt, handelt es sich womöglich um eine Depression. Wenn ein Kind plötzlich aggressiv wird, zuschlägt oder das Spiel anderer zerstört, so kann das auch Ausdruck dieser Krankheit sein.

Während Mädchen eher erstere Symptome aufweisen, sich also eher zurück ziehen, werden Jungen häufiger auffällig. In jedem Fall sollte man als Elternteil aufmerksam sein und nicht zu spät Hilfe aufsuchen. Depressionen lassen sich mit psychotherapeutischer Unterstützung gut behandeln, sei es durch eine Verhaltenstherapie, durch eine klientenzentrierte Spieltherapie, durch ein Mutter-Kind-Training oder eine Familientherapie. Bei älteren Kindern eignet sich auch eine tiefenpsychologische Therapie. Medikamente zusammen mit stationären Klinikaufenthalten können in besonders schweren Fällen helfen.

Ziel jeder Therapie ist grundsätzlich die Steigerung des Selbstwertgefühls und die Stärkung der Ressourcen. Die Kinder lernen, sich selbst besser zu verstehen, soziale Kompetenzen wieder zu erlangen und ihr destruktives Denken zu verändern, damit sie Probleme besser lösen können. Denn nur so kann die Stimmung depressiver Kinder dauerhaft verbessert werden.