VON SUSANNE BREM | 18.11.2016 08:05

Schlechte Karten: noch immer schwache Bildungschancen für Mädchen in Entwicklungsländern

115 Millionen Kinder weltweit bekommen noch immer keine Schulbildung. Der Anteil der Mädchen wird dabei auf etwa 65 Millionen beziffert. Vor allem im Vergleich zu den Jungen sind sie beim Zugang zu Bildung noch immer stark benachteiligt. Besonders schlecht läuft es dabei für sie in afrikanischen Ländern: In den ärmsten Regionen wie südlich der Sahara schließt nur jedes zweite Mädchen der Schulgängerinnen überhaupt die Grundschule ab und nur jedes vierte von ihnen besucht danach eine weiterführende Schule. Alarmierend – für die Frauen und Mädchen selbst, für ihr Rollenbild, für die Möglichkeit zu Eigenständigkeit. Der deutsche Staat etwa fördert zwar ausländische Bildungsprojekte; trotzdem besteht noch immer keine echte Chancengleichheit für Mädchen und Jungen in den Entwicklungsländern. Wo genau stehen Frauen und Mädchen heute bildungstechnisch in den ärmsten Staaten? Wo und wie werden sie gefördert?


Plan International Deutschland hat kürzlich einen Bericht veröffentlicht: „Bildung für Mädchen in der Entwicklungspolitik - Die Bundesregierung auf dem Prüfstand“. Daraus geht hervor, dass das Entwicklungsministerium 2014 knapp 1,4 Milliarden Euro in Bildung investiert hat; über 50 Prozent blieben dabei innerlands und kamen ausländischen Studierenden an deutschen Hochschulen zugute. Zur Förderung einer grundständigen Ausbildung für Mädchen und Jungen in Entwicklungsländern waren nur 126 Millionen Euro vorgesehen. Lediglich ein Viertel davon floss wiederum speziell für Mädchen und ihre Chancen auf einen Schulabschluss in entsprechenden Ländern. Ein Umstand, den die Plan-Geschäftsführerin Maike Röttger desillusionierend findet: Mädchen in armen Ländern erfahren zu wenig Unterstützung und spezifisch auf sie ausgerichtete Hilfe. Bildungsprojekte, die auf Mädchen aus der Subsahararegion fokussieren (dabei eine der ärmsten und schwierigsten Gebiete für junge Frauen), haben sich sogar um 50 Prozent reduziert. Die Bundesregierung hat sich deshalb als Ziel gesetzt, mit Nachdruck Chancengleichheit für Jungen und Mädchen zu schaffen, ihnen kostenlos eine hochwertige Schulbildung auf Grund- und Sekundarniveau zu ermöglichen. Das hieße, mindestens zehn Prozent der Gesamtausgaben aufzuwenden statt der bisherigen neun: also 140 statt 126 Millionen Euro.

Moderner Kolonialismus

Welche Steine liegen Mädchen derzeit noch im Weg?

Verschiedene Gründe erschweren den Zugang zu Bildung für Mädchen in Entwicklungsländern: patriarchalisch geprägte Geschlechterrollen etwa, in denen Töchtern der Gang zur Schule nicht gewährt wird; zu wenige weibliche Lehrkräfte, lange und gefährliche Schulwege oder schlicht das Fehlen von Schulen; nicht zuletzt nach einer Zwangsverheiratung werden junge Mädchen auch noch oft zum Schulabbruch genötigt. Dazu kommt die verheerende Sicherheitslage in vielen Ländern: Vergangenes Jahr wurden z. B. in Afghanistan wegen Krieg und Gewalt 369 Schulen geschlossen, 140.000 Kinder hatten keine Möglichkeit mehr ihre Ausbildung fortzusetzen und zu beenden.

Der Vorsitzende von Jugend Eine Welt, Reinhard Heiserer, betont die Bedeutung von guter Bildung für Frieden, den nachhaltigen Bestand und die Entwicklung eines Landes, gerade in solchen wie Afghanistan. Er möchte dabei auch humanistische Lehren und Bildungsinhalte vermittelt wissen, die den Wert und die Würde des Menschen im Grundverständnis der jungen Generation verankern. Spezielle Bildungsmaßnahmen, wenn auch für alle Kinder notwendig, möchte er dabei für Mädchen ausgearbeitet sehen; sie sind in Entwicklungsländern leider nach wie vor so gut wie immer im Hintertreffen.

Was gebildete Frauen in Entwicklungsländern bedeuten

Dabei geben Statistiken bei Frauen etwa Zusammenhänge zwischen dem Grad der Bildung und ungewollten Schwangerschaften preis: In Afrika z. B. bekommen 61 Prozent der jungen Frauen durchschnittlich mit 20 Jahren ihr erstes Kind, wenn sie keine Schulbildung genossen haben. Unter denjenigen mit höherer Bildung sind es nur 27 Prozent. Dazu verschafft es den Frauen die Möglichkeit zu Eigenständigkeit, zu eigener Erwerbstätigkeit, was auch das Rollenbild innerhalb von Familien beeinflusst; eine generelle Gleichstellung der Geschlechter würde dadurch vorangetrieben. Dazu kommen die positiven Effekte auf die Wirtschaft und der finanzielle Beitrag einer Frau zum Lebensunterhalt ihrer Familie; Bildung entfaltet nicht nur auf persönlicher, individueller Ebene positive Wirkungen, sondern kann auch soziale Normen aufbrechen und verändern. Auch gesundheitlich sind gebildete Frauen durchschnittlich besser gestellt. Das hängt bereits mit der Fähigkeit zu lesen zusammen, damit Frauen Zugang zu Informationen bekommen, sich leichter selbst helfen können und z. B. auch besser über Verhütungsmittel oder die politische Situation in ihrer Heimat lernen können. Ebenso die Möglichkeit und Fähigkeit, auf moderne Massenmedien zurückgreifen zu können, fördert letztendlich laut Untersuchungen des Berlin Instituts einen positiven Einfluss auf das Rollenbild von Frauen (und Männern): Sie sehen Medien als fakultative, aber gewinnbringende Ergänzung des Informationsangebots abseits der Schule – sofern Frauen in der Lage sind, an diese Informationen zu gelangen. Daraus wird aber auch ersichtlich, dass Bildung allein noch nicht einmal ausreicht; sie braucht soziale und wirtschaftliche Faktoren, um ihre positiven Effekte voll entfalten zu können. Der Weg dorthin scheint in den Entwicklungsländern noch immer weit zu sein.