VON RICHARD KEHL | 20.06.2011 18:18

Berlin: Spekulanten erobern die Hauptstadt

Berlin gehört nicht nur bei Studenten zu den beliebtesten Studienorten Deutschlands. Die Metropole ist ebenso bei Künstlern, Touristen, Einwohnern, nationalen und internationalen Stars begehrt und angesagt. Die Weltstadt bietet vor allem viel Wohnraum für günstige Mieten - doch das kann sich bald ändern. Ein vom Berliner Senat vorgeschlagenes neues Wohnraumgesetz sorgt für Unruhe.

Die Preise in Berlin klettern. Immer mehr Bewohner versucht man - aus spekulativen Gründen - primär aus Berlin Mitte zu vertreiben. Ein brisantes Wahlkampfthema, mit dem verschiedene Parteien in den bevorstehenden Wahlkampf ziehen. Ein Blick auf die Plakate in U-Bahn-Stationen zeigt die Vorzeichen der drohenden Entwicklung: Hier hängen Bauträgermotive mit glänzenden Ansammlungen von Luxus-Loft-Gebäuden mit sonnigen Terrassen und dementsprechenden Preisen. Die Fehrbelliner Höfe sind ein Paradeprojekt von Bau-Spekulanten.

Schuld daran haben auch die zahlreichen Celebrity Events in Berlin, die immer mehr nationale und internationale Stars nach Berlin locken. Die Fehrbelliner Höfe wurden speziell für ein Klientel mit hohem Einkommen aus Europa und den USA entwickelt. Allerdings konnten die Spekulanten nicht genug Käufer im Vorfeld finden und mussten den Bau stoppen - das war 2007. Letztes Jahr wurde das gleiche Anwesen von einem anderen Spekulanten gekauft. Dieser senkte den Immobilien-Quadratmeterpreis von 10.000 auf 5.000 Euro. Laut Baufirma gibt es bereits genug Interessenten und Käufer für geplante Objekte. Es gibt sogar ein Klientel, das bereit ist, für ein 6-Zimmer Penthouse 1,5 Mio. Euro zu bezahlen. Preise, die für den Durchschnittsbürger Berlins utopisch sind. Zudem sind 90% der Wohnungen in Berlin vermietet und auch hier steigen die noch preiswerten Mieten seit Jahren langsam aber stetig an.

Derzeit praktizieren Immobilienspekulanten ein gesetzeswidriges Geschäftsmodell: Mieter sollen für Kosten bezahlen, die es überhaupt nicht mehr gibt. Da die Mieter hierzu nicht im Stande sind, verlieren sie ihre Wohnungen, welche dann – auch zu Lasten des Steuerzahlers – für Spekulanten zweckentfremdet werden. Immer mehr leerstehender Wohnraum wird von der Stadt Berlin veräußert und ebnet Spekulanten den Weg. Eine Entwicklung, die sich auch auf die Mietpreise auswirkt. Primär betrifft diese Entwicklung Berlin Mitte, aber auch zunehmend andere Bezirke.

Angeblich um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat der Berliner Senat ein neues Wohnraumgesetz in Planung. Doch Kritiker sehen eher eine Mogelpackung statt Mieterschutz: Statt wie behauptet auf eine Begrenzung der Mieten zu setzen, wird ein steigendes Mietniveau und eine „Aufwertung“ der Innenstadt angestrebt. Es ist zu befürchten, dass durch das neue Wohnraumgesetz das Gegenteil dessen forciert wird, was der Senat vorgibt: Ein Fortschreiten der „sozialen Entmischung“ der Innenstadt.

Auch in anderen Städten wird es für den Durchschnittsbürger immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Der soziale Wohnungsbau wird an die Randgebiete von Städten verlegt. Eine gefährliche Entwicklung einer Zwei-Klassengesellschaft droht. Der Graben zwischen arm und reich nimmt zu, der Mittelstand wird immer mehr abgedrängt. Dabei sollte Wohnraum für jedermann bezahlbar sein und nicht zum Luxusgut werden.