VON CHARLOTTE MEYER | 06.11.2015 13:34

Über sieben Brücken musst du gehn – Austauschstudierende in Deutschland

Ich bin in meinem Auslandssemester in Russland Teil einer Austauschgruppe. Das heißt, es gibt eine andere Seite, die an meiner Stelle in Deutschland studieren wird. Bei einem Kennenlerntreffen mit den russischen Studis in Sankt-Petersburg ging irgendwann der Small-Talk-Stoff aus und sie erzählten von den Hürden, die ihnen bei der Organisation begegnet sind. Ich hatte den Eindruck, dass sie viel mehr Schwierigkeiten bei den Vorbereitungen hatten als wir. Wie es ihnen mit der Wohnungssuche und dem Wechselkurs ergeht, schreibe ich hier für UNI.DE.


Das allererste Problem: das Visum

Elena*, eine Teilnehmerin von der russischen Seite unseres Austauschprogramms fühlte sich schon schlecht, weil sie sich so viel beschwerte. Für sie und die anderen fing der Stress mit dem Visum an. Einladung, Reisekrankenversicherung, Passbild, Antragsformular. Das sind die Unterlagen, die man in Deutschland für ein Studierendenvisum für Russland einreichen muss. Nachdem ich von unserer Gegenseite vom Chaos beim Übersetzen von Dokumenten für das deutsche Visum mitbekommen habe, habe ich mich mal schlau gemacht, was man denn eigentlich so von russischer Seite für ein Studienvisum nach Deutschland braucht. In einem Dokument von vier Seiten werde ich fündig. Neben den Dingen, die wir für unseren Aufenthalt in Russland auch einreichen mussten, werden da gefordert: Finanzierungsnachweis für den gesamten Aufenthalt, Studienbescheinigung, CV, Motivationsschreiben, Inlandspass sowie eine Belehrung gemäß § 55 des Aufenthaltsgesetzes. Probleme gab es dabei vor allem mit den Übersetzungen: In der Annahme, dass Dokumente in Englisch angenommen werden, haben sich die Studis Dokumente auf Englisch ausstellen lassen. Mit dem Resultat, dass sie alle Unterlagen zurück ins Russische übersetzen mussten, um es dann wieder ins Deutsche übersetzen zu lassen. Zu dem Chaos kam dann noch hinzu, dass die Einladung von der Universität aus Deutschland auf Deutsch kam, während das Konsulat in Petersburg jedoch eine englische forderte. Hier ging der Prozess dann wieder in umgekehrte Richtung los. Vom Deutschen ins Russische, vom Russischen ins Englische. „Die Forderungen bei der Sprache waren alle total unklar und man konnte nirgendwo anrufen“, meinte Elena kurz bevor ich schon vorpreschen und sie fragen wollte, ob sie denn vorher auf der Internetseite genau geschaut hätten.

Die andere Perspektive:

Bis kurz vor Abflug keine Wohnung

Der nächste essentielle Schritt nach dem Visum war die Wohnungssuche. Wenn ich so an meine Wohnungssuche denke, würde ich mir wünschen, dass es in Berlin auch so einfach wäre, ein WG-Zimmer zu finden. Eine E-Mail reichte und ich hatte eine gemütliche Bleibe im schönsten Sankt-Petersburger Zentrum gefunden. Wer schon einmal auf Wohnungssuche in der deutschen Hauptstadt war, weiß wie nervenaufreibend diese sein kann. So auch für unsere Austauschgruppe. Zwei hatten Glück und fanden sofort etwas. Für die übrigen drei waren alle Wohnheimplätze belegt und die erfolglose Suche nach einer Wohnung zog sich zwei Monate hin. Auch die Stipendienzusage aus Deutschland ließ auf sich warten und lange gab es keine Nachricht darüber, ob es eine Finanzierung von deutscher Seite für die russischen Studierenden geben würde oder nicht. Für diese ist die derzeitige wirtschaftliche Situation Russlands nämlich ein ziemlicher Nachteil. Erst im August war der Rubel auf Rekordtiefstand im Vergleich zum Euro gerutscht. „Viele haben sich gar nicht für das Austauschprogramm beworben, weil sie es sich nicht hätten leisten können“, erzählt Elena. Nicht nur, dass durch die vielen Übersetzungen der Unterlagen Kosten angefallen sind, nein, vor allem in Deutschland wird es teuer werden. Da sind sich alle von russischer Seite einig.

Letztlich lohnen sich die Mühen doch

Bevor es also losgeht nach Berlin sind schon alle gestresst und besorgt. In Deutschland geht es dann weiter: Registrierung erledigen, Konto eröffnen, Seminare belegen und besuchen und schließlich die Prüfungen einmal in Deutschland und noch einmal in Russland bestehen. „Ich bin trotzdem sehr dankbar, dass es den Austausch gibt“, meint Elena zu mir. Auch wenn viele Hürden und Sorgen im Weg stehen, findet sie es gut, nicht vollkommen allein, sondern Teil einer Austauschgruppe zu sein. „Und außerdem“, da ist sie sich sicher, „wird es eine schöne Erfahrung werden, in Berlin zu studieren“. Sie freut sich vor allem darauf, die multikulturelle Gesellschaft dort kennenzulernen.

Wenn ich so an meine Vorbereitungen und die Ankunft in Sankt-Petersburg denke, habe ich so das Gefühl, dass ich es um einiges leichter hatte. Vielleicht habe ich aber den ganzen Vorbereitungsstress auch schon vergessen und gegen die vielen neuen, schönen Eindrücke in Russland eingetauscht.

*Name geändert