VON CLEMENS POKORNY | 12.02.2015 12:39

Asylbewerber und erwerbstätig?

Asylbewerber wollen in Deutschland arbeiten – und durften es jahrelang nicht. Im Oktober 2014 wurden einige Beschäftigungshindernisse beseitigt oder zumindest verringert. Mit ihrem Umdenken reagiert die Politik auf den drohenden Fachkräftemangel. Doch für einen fairen Zugang zur Erwerbsarbeit in Deutschland für Flüchtlinge bleibt noch einiges zu tun.


Wer aus politischen Gründen seine Heimat mit dem Ziel Deutschland verlässt, hat wohl kaum die Absicht, dem ihn aufnehmenden Land auf der Tasche zu liegen, wie von ausländerfeindlicher Seite gerne behauptet wird. In aller Regel möchten Asylbewerber – wie Arbeitsmigranten auch – bei uns einer Erwerbsarbeit nachgehen. Doch das ist nicht einfach.

Bis Oktober 2014 war es Asylbewerbern sogar gesetzlich verboten, eine Arbeit anzunehmen. Hintergrund: Nur im Fall ihrer Anerkennung sollten Flüchtlinge Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten, und auch dann mit erheblichen Einschränkungen. Ein „Geduldeter“ durfte ein Jahr lang überhaupt keine bezahlten Tätigkeiten aufnehmen und danach nur solche, für die kein Bewerber aus einem EU-Staat in Frage kam. Das führte nicht nur zu Frust bei den Migranten, sondern zu unnötigen Kosten für ihren Unterhalt.

Partizipation – Wege zur stabilen Friedenssicherung

Dass Zuwanderer nicht als potentielle Arbeitskräfte wahrgenommen werden, zeigt sich u.a. darin, dass Asylbewerber im Rahmen ihres Anerkennungsverfahrens nicht danach gefragt werden, welche beruflichen Qualifikationen sie mitbringen. So kann nur geschätzt werden, dass 10% von ihnen ein Hochschulstudium und 42% eine Ausbildung abgeschlossen haben. Ein enormes wirtschaftliches Potential liegt also brach – unverantwortlich in einer Zeit zunehmenden Fachkräftemangels.

Doch selbst wenn sie politisch gewollt gewesen wäre, wären der Erwerbstätigkeit von Einwanderern bis vor kurzem hohe bürokratische Hürden im Weg gestanden. Erst seit 2012 haben ausländische Arbeitssuchende ein Recht darauf, dass vom Staat geprüft wird, ob und wie weit ihre außerhalb Deutschlands erworbenen Abschlüsse und Titel hierzulande anerkannt werden. So kam es, dass – im Extremfall – ein promovierter nigerianischer Mediziner Taxi fahren musste.

Seit letztem Jahr aber hat sich für Asylbewerber einiges verbessert. Die Bundesregierung beschloss am 29.10.2014 zum Beispiel, dass Asylbewerber und Geduldete nach 15 Monaten freien Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Auch die Residenzpflicht fällt nach drei Monaten weg, Asylbewerber dürfen allerdings nach wie vor ihren dauerhaften Wohnsitz nicht ändern (Wohnsitzpflicht). Die Rahmenbedingungen haben sich also verbessert – tatsächlich einen Arbeitsplatz zu bekommen, hängt aber selbstredend auch von anderen Faktoren ab.

So ist die Hemmschwelle für deutsche Arbeitgeber, einen Flüchtling einzustellen oder auch nur zum Vorstellungsgespräch einzuladen, natürlich größer als bei deutschen Bewerbern. Kann die Person gut genug Deutsch sprechen? Was sind ihre ausländischen Zertifikate wert? Und wozu jemanden einarbeiten, der vielleicht ein paar Monate später wegen Abschiebung ohnehin die Firma wieder verlässt? Je länger aber ein Asylbewerber nicht erwerbstätig ist, desto stärker wird er durchs Nichtstun dequalifiziert, desto gewichtiger wird der Ablehnungsgrund „Sie haben noch keine Berufserfahrung in Deutschland“ – und desto mehr Deutsche verwechseln Ursache und Wirkung, indem sie Asylbewerbern vorwerfen, diese wollten gar nicht arbeiten, sondern nur von deutschen Sozialleistungen leben.

Die Arbeitsmarktentwicklung insbesondere auf dem Feld der Fachkräfte dürfte freilich mittelfristig auch für Asylbewerber günstiger werden. Aufgabe der Politik wäre es, das wirtschaftliche Potential der Flüchtlinge nutzbar zu machen: durch Erhebung ihrer bereits bestehenden Fähigkeiten und deren Verbesserung durch Sprachkurse und andere Qualifizierungsmaßnahmen. Deutschland bleibt ein Einwanderungsland!