VON SINEM S. | 15.11.2012 12:59

Abgeordnetenbestechung in Deutschland

Irre-aber wahr: In Deutschland dürfen Abgeordnete nach einer Wahl Geschenkspenden und Geld annehmen. Was woanders als Straftatbestand gewertet wird, ist hierzulande gängige Praxis und legale Korruption. Nur Beamte müssen sich hüten - ihnen ist allenfalls erlaubt, einen Werbekugelschreiber anzunehmen, alles andere würde reichen, um verurteilt zu werden. Denn Deutschland unterscheidet im Gegensatz zu anderen Ländern zwischen Ministern und Beamten.

In Deutschland lässt es sich als Parlamentarier gut leben... Seit 9 Jahren bereits wird hierzulande die UN-Konvention gegen Korruption erfolgreich blockiert, denn Union und FDP haben Angst um ihre Privilegien. Zu Recht, denn derzeit kann man sich als Abgeordneter noch erlauben, Geldgeschenke anzunehmen. Paragraf 108e des Strafgesetzbuches verbietet es den Politikern, ihre Stimmen vor der Wahl zu verkaufen. Einziges Problem: Nach der Wahl ist es absolut in Ordnung. 162 Staaten haben bereits besagte UN-Konvention ratifiziert, nur Deutschland, Syrien, Saudi-Arabien und der Sudan weigern sich bislang noch. Der Spiegel schrieb 2007: "Verboten ist im Bundestag, aber auch in den Parlamenten der Länder und Gemeinden eigentlich nur, dass ein Volksvertreter sich richtig dämlich anstellt." Doch nur weil in Deutschland zwischen Amtsträgern wie Beamten und Abgeordneten unterschieden wird, ist es juristisch schwieriger, aus der „praktisch bedeutungslosen symbolischen Gesetzgebung“ eine sinnvolle zu machen. Anstatt einen eigenen Gesetzesentwurf vorzulegen, haben Union und FDP es sich allerdings zur Aufgabe gemacht, sämtliche Vorschläge von Seiten der Opposition zu untermauern, mal seien diese zu streng, mal zu unkonkret. Sogar deutsche Konzerne wie Siemens, Daimler und Co. beschwerten sich über den laschen Paragrafen 108e, weil ihnen im Ausland deswegen Unglaubwürdigkeit vorgeworfen würde und fordern dessen Verschärfung.

Machtmissbrauch

abgeordnetenwatch.de

Da wundert es niemanden, wenn die Gemüter sich ob Peer Steinbrücks Honoraren für Vorträge oder seiner Gratisbahncard, mit dem der SPD-Kandidat gerne mal zu selbigen fuhr, erhitzen. Wenn man bedenkt, dass Arbeitslose, Studenten und Geringverdiener ihre Tickets selbst bezahlen müssen, aber ein Abgeordneter mit Gagen von bis zu 1,25 Millionen Euro von der Deutschen Bahn gesponsert wird, ist dies ein Armutszeugnis für die deutsche Politik. Dass das Recht zur freien Benutzung von staatlichen Verkehrsmitteln für Abgeordnete im Grundgesetz verankert ist, ist wieder ein anderes Thema.

Laut abgeordnetenwatch.de fehlte Peer Steinbrück wegen seiner gutbezahlten Gastvorträge bei zwölf von 19 wichtigen Bundestagsabstimmungen, seine neue Funktion als Bundestagsabgeordneter scheint unter seinem Nebenjob zu leiden. Als Parlamentarier steht Steinbrück in der Verpflichtung, dem Volke zu dienen, in § 44a Absatz 1 des Abgeordnetengesetzes heißt es: „Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages“. Die Entschädigung hierfür beträgt ja auch monatlich staatliche 7.668 Euro. 2011 gab die Organisation Transparency International den Korruptionsindex für Europa bekannt: Deutschland liegt im europäischen Mittelfeld. Unter den besten zehn von insgesamt 183 Ländern sind Singapur, Norwegen, Australien, Schweiz und Kanada. Deutschland rangiert auf Platz 14, Spitzenreiter ist Neuseeland. Am 15.11. tagt in Berlin die Konferenz der Länderjustizminister zum Thema Abgeordnetenbestechung. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International fordert „deutliche Signale der Konferenz der Länder-Justizminister zur Verschärfung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung und zur Einführung eines Unternehmensstrafrechts“.