VON RICHARD KEHL | 03.05.2010 15:12

Vom Turnschuh zum Status-Symbol

Einst war der Turnschuh nur ein Sportgerät. Turnschuhe waren bequem, praktisch, hatten aber wenig mit Mode zu tun - bis Anfang der 80er Jahre. Mit den Vätern des Urban Hip Hop wurde der Turnschuh zum Kult. Heute gehören Turnschuhe - nicht nur bei Studenten - zum täglichen Outfit. Es gibt kein Luxuslabel ohne eigenen Turnschuh in seiner Kollektion.

Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre trugen hauptsächlich Streetdancer, Graffiti-Sprayer, DJs und Rapper Turnschuhe. Die Marke an sich, war noch sekundär. Turnschuhe waren bequem, praktisch und bei Gesetzes-Konflikt konnte man der Polizei damit besser entwischen. Das Rap Trio Run DMC war die erste Crew, die sogar ihren Turnschuhen 1986 ein eigenes Lied widmeten und die US Charts damit stürmten: „My Adidas“. Das war ihre Antwort auf einen anderen schwarzen Rapper, der den aufkommenden Turnschuhkult in den USA in seinen Songs kritisierte, mit der Begründung: "Mit Turnschuhen bekommst Du keinen Job und hast ein Gangster-Image". Die Rap-Crew RUN DMC und ihre Fans trugen die Adidas Sneakers aus Überzeugung, auch ohne Sponsoring-Vertrag. Referent Ron, Mitglied der Crew, kam erstmals auf die Idee, den Sportartikel-Hersteller Adidas zu einem ihrer Konzerte einzuladen. Der Sportartikel-Industrie wurde erstmals bewusst, welche Macht „die Straße“ bzgl. dem Branding hat. Mit dem Sponsorenvertrag von über eine Millionen Dollar löste RUN DMC eine Sponsor-Welle in der Rapmusik aus, bei der andere Hersteller nicht auf der Strecke bleiben wollten. Andere Marken wie Fila, Reebook, Nike, Converse etc. zogen nach, aber keine war bis dato so erfolgreich wie Nike.

Nike schuf mit Hilfe des L.A. Lakers NBA Superstars Michael Jordan 1985 eine weitere Kultmarke: Den „Air Jordan 1“. Cleveres Marketing und eine entsprechende Werbekampagne steigerten den Wert von Nike und seines Werbeträgers Michael Jordan, später auch aufgrund von Nike, Michael Air Jordan genannt. Der NBA Profi kassierte regelmäßig Strafen wegen seiner Nike Schuhe. Damals war in der NBA Einheitskleidung der Mannschaften Pflicht und auch die Basketball-Schuhe mussten einheitlich sein. Nicht so bei Michael Air Jordan. Seine Schuhe waren bunt. Die Strafen waren lächerlich im Gegensatz zur PR-Wirkung. Heutzutage kostet die Neuauflage des Air Jordan1 ca. 349 Euro, damals belief sich der Preis auf ca. 89 Dollar oder hierzulande ca. 90 Euro.

Im Gegensatz zu den USA sorgte Gregor Gysi, nicht als Basketball-Profi, sondern als Politiker von den damaligen Grünen im Bundestag mit dem Tragen seiner Turnschuhe 1985 für einen Skandal und un(gewolltes) Aufsehen.

Im Kinofilm: „Do The Right Thing“, aus dem Jahre 1989, von Spike Lee, wurde die Bedeutung der Turnschuhe in Sachen Streetwear, erneut, durch den Air Jordan Schuh visualisiert: Ein weißer Passant mit einem Boston Celtics Larry-Bird-Fan-Shirt - dem Erzfeind der L.A. Lakers - überfährt mit seinem Fahrrad aus Versehen den neuen Turnschuh eines Schwarzen, der Air Jordan trägt. Dieser rastet darauf völlig aus, unterstützt von seinen „Homies“.

Durch den Filmemacher Spike Lee wurde der Kult 1990 weiter unterstützt: Im Schwarz/Weiß Werbe-Spot von Nike wurde der „dunkende“ Michael gezeigt. Und Spike Lee sagte dazu grob übersetzt: „Du kannst die Schuhe kaufen, aber nicht das Talent von Michael Air Jordan.

Nike Video

In Gangsterkreisen wurden Turnschuhmarken zum Status-Symbol und auch innerhalb von Gefängnissen wurden Neuankömmlingen von anderen Insassen deren Turnschuhe annektiert. Sneakers sind langsam aber sicher zu Sammlerobjekten geworden.

Bald merkten Platten-Label-Besitzer, dass man mit Mode und Schuhen gutes Geld verdienen konnte. Die Künstler wollten nicht nur Beteiligungen und Sponsoring, sondern 100% vom Kuchen.

Stars wie P.Diddy gründete seine eigene Sean Combs Modekollektion und Rapper Jay Z, 1995, das Label Rocawear, als Ergänzung zum Plattenlabel Roc-A Fella Records. Jay Z spielte auch Nike gegen Reebook aus, indem er 2003 mit Reebook seine eigene Turnschuhmarke unter dem eigenem Label RBK auf den Markt gebracht hat.

Der Turnschuh-Hype ist so weit gegangen, dass sich Sammler, Künstler, Fashion-Victims bzw. die Zielgruppe, bei denen Geld keine Rolle gespielt hat, Marken-Turnschuhe gekauft und nur einmal getragen haben. Darum wurde oft das Preisschild an den Schuhen oder an anderen Klamotten gelassen, was ebenfalls eine Zeit lang in der Hip Hop Bewegung als cool galt.

Wird das Etikett entfernt, gilt der Turnschuh als getragen und wanderte in den Müll, in die Sammlung oder wurde verschenkt. Klassiker aus den 80er Jahren werden immer wieder neu aufgelegt und gut erhaltene limitierte Marken-Sondermodelle erzielen hohe Sammlerwerte.

Also Studenten aufgepasst: Sichtet Eure Turnschuhsammlung, vielleicht befindet sich auch hier der ein oder andere Turnschuh-Schatz darunter.