VON CHRISTOPHER MAIER | 10.06.2010 10:06

Erfahrungsbericht zum Studium in Roskilde (Dänemark) im WS 09/10

Studienfach in Göttingen: Soziologie. Studienfach in Roskilde: EU-Studies

Zunächst erstmal ein Gesamteindruck, den man immer wieder von Studierenden hört, die aus dem Ausland wieder nach Deutschland kommen: Einige Zeit im Ausland mit Erasmus zu studieren ist eine Erfahrung, die jeder nach Möglichkeit in seiner Studienzeit machen sollte. Hinter mir liegt eine bewegende und tolle Zeit und viele Erlebnisse, die ich auf keinen Fall missen möchte! Ich versuche euch auf den folgenden Seiten einige Informationen zu geben damit ihr entscheiden könnt, ob Roskilde auch die richtige Wahl für euch ist.


Leben in Dänemark:
Das Leben in Dänemark ist sehr nett und dürfte für Deutsche keinen Kulturschock bereit halten. Die Dänen sind in der Regel etwas zurückhaltend aber freundlich. Fast jeder spricht dort gutes Englisch, sodass ihr keine Verständigungsschwierigkeiten haben solltet. Ich hatte durch meine Kurse sehr viel Kontakt zu Dänen. Ich kenne jedoch auch einige, die fast nur unter Erasmus Leuten waren. Es kommt dabei auch immer auf einen selber an, inwieweit man sich um diese Kontakte mit den „Einheimischen“ bemüht.


Sprache:
Das Dänische ist trotz der Nähe zum Deutschen nicht ganz einfach zu erlernen. Die Dänen sprechen sehr undeutlich und die Aussprache ist wahrscheinliche die schwierigste in ganz Europa. Es gibt auch Sprachkurse an der Universität. Erwartet jedoch nicht, dass ihr nach einem Semester fließend Dänisch sprecht!


Wohnen:
Hauptsächlich gibt es drei Möglichkeiten des Wohnens, wenn man sich an der RUC einschreibt. Erstens kann man direkt am Campus in einer der Studentenwohnheime wohnen. Die Uni befindet sich etwas auserhalb der Stadt Roskilde in dem Stadtteil Trekroner. Die Preise hierfür liegen bei 400 € (Wohnheim Rockwool, 4er WG) bzw. 500 € (Wohnheim Korallen, Einzelzimmer). Wenn ihr euch für das Leben am Campus entscheidet, wählt unbedingt das 2 Studentenwohnheim Rockwool. Das Leben ist hier deutlich familiärer und die Miete dabei noch günstiger. Ein Supermarkt gibt es inzwischen in Trekroner auch. Aber last euch gesagt sein, ausser der Universität und den Studentenwohnheimen gibt es dort draußen nicht besonders viel! Dennoch spielt sich hier das Leben der meisten Erasmus Studierenden ab. Wer also das richtige Erasmus-feeling haben möchte, der sollte sich um einen Wohnraum hier bewerben. In etwas mehr als 20 Minuten ist man ausserdem mit dem Zug im Zentrum von Kopenhagen. Für mich war es im Nachhinein die richtige Wahl, nahe der Uni zu leben, auch wenn es im Winterhier etwas einsam sein kann.
Die zweite Möglichkeit ist, sich in Roskilde einzuquartieren. Das ist etwas billiger als in Trekroner und man ist schneller im Stadtzentrum von Roskilde. Dort ist nach 18 Uhr in der Regel jedoch auch nicht mehr viel los.
Drittens kann man auch direkt nach Kopenhagen ziehen, was die meisten der dänischen RUC Studierenden machen. Allerdings ist es nicht ganz einfach, ohne Ortskenntnisse ein Zimmer in Kopenhagen zu finden. Fahrt auf keinen Fall auf gut Glück dort hin und meint, ihr findet schon was! Die Mieten sind dort etwas billiger als in Trekroner, dieser Vorteil wird jedoch durch die hohen Zugfahrkarten wieder ausgeglichen. In Kopenhagen ist natürlich mehr los und man bekommt mehr vom wirklichen dänischen Leben mit. Durch die Entfernung leidet darunter jedoch dann der Kontakt zu den anderen Internationals.


Geld:
Dänemark ist durch die hohen Steuern und hohe Lebensmittelpreise kein günstiges Ziel für den studentischen Geldbeutel. Wenn man sparsam lebt, kommt man wohl mit etwa 650 € hin. Die Regel dürfte aber wohl eher 800 € - 1000 € sein. Dazu kommen, soweit man das möchte, die Kosten für Reisen. Wir sind in dieser Zeit wirklich viel gereist und haben Skandinavien erkundet, und es hat sich wirklich gelohnt!


Das „Erasmus-Feeling“:
Von ihm ist oft die Rede, man muss es jedoch wohl selber miterlebt haben. Wenn ihr etwas offen seid, werdet ihr viele, viele Partys erleben, neue Freunde finden und andere Kulturen 3 kennenlernen. Aber dazu gehören für die meisten auch Tief-Phasen, in denen man sich einsam und verlassen fühlt und am liebsten nach Hause möchte. Aber das geht vorbei.


Universität allgemein:
Roskilde University (RUC) ist für seine progressiven Lernmethoden bekannt. In Roskilde wird sehr auf eigenständiges Lernen geachtet. Ich kann nur die Erfahrungen aus dem Studiengang EU-Studies berichten. Mein Semester setzte sich aus zwei Seminaren und einem Projekt zusammen. Die Seminare haben ein recht hohes Lesepensum von ca. 700 Seiten. Die Seminarssitzungen sind eine Mischung aus deutschem Seminar und Vorlesung, finden für etwa sechs Wochen statt und so etwas wie eine Anwesenheitsliste gibt es nicht. Insgesamt ist einem selbst überlassen, wie viel Zeit man in sein Studium investiert, das gemeinsame Lernen in Lerngruppen wird aber stark gefördert. Mit hat dieser Aufbau sehr gefallen, wer jedoch Prüfungen und etwas Druck braucht, um seine Motivation aufrecht zu erhalten könnte an der RUC kurz vor den Prüfungen feststellen, dass es bisher kaum gelernt hat. Die Prüfungen werden an der RUC, wie es in Dänemark üblich ist überwiegend mündlich abgelegt. Das Nivau ist im Vergleich zu Göttingen was das Lernpensum und die Anfoderungen angeht etwas niedriger. Wer möchte, lernt aber dennoch eine Menge.
Im Zentrum des Lernens steht an der RUC das project-work, in dem in Gruppen von 2-8 Leuten über mehrere Wochen ein selbst gewähltes Thema bearbeitet wird. Der Umfang dieser Arbeit hängt von der Anzahl der Gruppenmitglieder ab, pro Person müssen etwa 15 Seiten abgeliefert werden. Auffällig ist, dass es ganze 15 ECTS für dieses Projekt gibt. Durch die gemeinsame Arbeit wird jedoch viel diskutiert, gestritten und gemeinsam gelernt, sodass diese hohe Creditzahl angemessen erscheint.
Ich habe den Fehler gemacht, mich einer zu großen Gruppe mit acht Personen anzuschließen. Je mehr Leute in der Gruppe sind, desto schwieriger werden Abstimmungsprozesse und desto länger die Diskussionsphasen. Es kann auch nicht schaden, sich vorher in der Bibliothek ein wenig mit der Projekarbeit und Gruppenprozessen auseinanderzusetzen, und sich an erfahrenere dänische Studierende zu halten. Gerade die Wochen im Dezember vor dem Abgabetermin wahren eine sehr intensive Zeit des Arbeitens die sehr anstrengend waren, aber 4 auch Spaß machen. Auf der einen Seite lernt man in dieser Zeit sehr viel über menschliche Kommunikation, Zusammenarbeit und Teamwork. Andererseits kommt dabei manchmal das Fachliche etwas zu kurz.


Fazit:
Ich versuche im Folgenden, ganz subjektiv die Vor- und Nachteile von Dänemark und Roskilde als Zielort eures Auslandssemesters vorzustellen.
+ Nähe zu Kopenhagen, einer der schönsten und dabei gemütlichsten Städte Europas
+ Innovative Lehrmethoden die ohne stures Auswendig-lernen auskommt
+ Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Unterricht in Englisch
+ Insgesamt gute Studienorganisation


- Hohe Lebenshaltungskosten
- Wer in der Nähe der Uni leben möchte, muss in Kauf nehmen, etwas abgeschieden zu wohnen