VON JULIA RÖSLER | 11.06.2010 13:45

Erfahrungsbericht Auslandssemester in Alcalá de Henares (Spanien)

Das Auslandssemester verbrachte ich in Alcalá de Henares, Spanien

Vorbereitung und Anreise:
Ich studiere Lehramt für Berufliche Schulen im 5. Fachsemester in der neuen Bachelor-Struktur mit den Fächern Erziehungswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Spanisch. Mein Unterrichtsfach Spanisch und die im Studium praktischen Erfahrungen an der Schule haben mir gezeigt, dass ein Auslandsaufenthalt maßgeblich für das Studium ist.


Da ich aber bereits im Bachelor-System studiere, zeigte sich nach ersten Recherchearbeiten, dass ein Auslandsaufenthalt während des Studiums nicht vorgesehen ist. Somit habe ich mit der Organisation des Auslandssemesters ca. 10 Monate vor Antritt begonnen, denn ich wollte mich nicht damit abfinden, dass ein Auslandssemester bei einem Sprachstudium nicht möglich sein sollte.


Zunächst habe ich mich in den verschiedenen Fachbereichen erkundigt, ob und wie ich mich für das ERASMUS-Programm bewerben kann. Nach vielen Gesprächen mit den Verantwortlichen habe ich mich über den Fachbereich Erziehungswissenschaften für die Universität Alcalá de Henares (Spanien) beworben. Die Entscheidung war maßgelblich von der Unterstützung der Koordinatoren und den angebotenen Kursen der Partner-Universität abhängig. Noch vor der Zusage von dem ERASMUS-Koordinator, habe ich begonnen, mögliche Kurse an der Partneruniversität für das Learning-Agreement herauszusuchen. Um das Bachelor-Studium nicht zu verzögern, wollte ich sicher gehen, dass alle im Ausland belegten Kurse auch von der Universität Hamburg anerkannt werden. Dazu war es notwendig, während des Wintersemesters 2008/2009 und während des Sommersemesters 2009 alle notwendigen Gespräche mit den Professoren zu führen und die Ergebnisse schriftlich festzuhalten.


(Hinweis zu den Kursen: http://www.uah.es/estudios/licenciaturas/inicio.shtm)


Die finale Zusage der Gasthochschule kam planmäßig. Sehr bald folgte auch ein Treffen aller Studenten aus Hamburg, so dass offene Fragen geklärt werden konnten.


Für BAföG-Empfänger möchte ich an dieser Stelle erwähnen, dass es wichtig ist, nach Möglichkeit schon vor der Zusage die Anträge zu stellen (BAföG-Amt Heidelberg http://www.studentenwerk.uni-heidelberg.de/), damit man zum Semesterbeginn die Leistungen für das Ausland erhält.


Unterbringung und Verpflegung:
Im weiteren Verlauf habe ich dann versucht günstige Flüge und eine Wohnung zu finden. Bei den Airlines sollte man darauf achten, dass man eventuell den Hin-und Rückflug zusammen und direkt bei der Airline bucht (z.B. Air Berlin), um bei der Abreise mehr Gewicht (i.d.R. 30 Kg statt 20 Kg) transportieren zu können.


Für die Wohnungssuche stellt das ERASMUS-Büro der Gasthochschule bei Anreise Listen mit Wohnungen zur Verfügung. Darüber hinaus hängen an den Schwarzen Brettern der Fakultäten eine große Anzahl von Wohnungsanzeigen aus. Da mir diese Variante aufgrund meiner späten Anreise im Gastland zu riskant erschien, habe ich meine Wohnung über die folgende Internetseite erhalten: http://www.pisocompartido.com/. Dort findet man für die einzelnen Städte Angebote und muss sich nicht extra registrieren.


Die Mietkosten betragen in Alcalá de Henares-Zentrum ca. 250€ Kaltmiete zuzüglich 30€-40€ Nebenkosten. Man sollte darauf achten, dass die Universität fußläufig zu erreichen ist und die Wohnung z.B. Wifi (W-Lan) und einen Telefonanschluss hat. Des Weiteren sollte der Vermieter einen Vertrag aufsetzen und auch die Kaution (i.d.R. eine Kaltmiete) schriftlich fixieren.


Weiterhin hatte ich das Gefühl, dass die Lebenshaltungskosten in Spanien höher sind als in Deutschland, so dass ich monatlich mit einem Budget von ca. 800 € -900€ kalkuliert habe. Für Lebensmittel wie Gemüse und Obst, bietet sich die lokale Markthalle an, da dort die Preise wesentlich günstiger sind als im heimischen Supermarkt. Wenn man nach wochenlangen Weißbrotessen wieder mal Lust hat auf Vollkornbrot empfehle ich den nahegelegenen ALDI (Bus Nr. 5 nach La Dehesa), dort wird das Brot täglich frisch angeliefert.


Studium/Hochschule:
Sobald man in Alcalá de Henares angekommen ist, sollte man zu dem ERASMUS-Büro gehen, um sich zu immatrikulieren. Für die Formulare und die späteren „Fichas" (Karteikarten mit Studenteninformationen) für die Kurse, sollte man ca. 7 Passbilder griffbreit haben. Das ERASMUS-Büro befindet sich im „Rectorado" (http://www.uah.es/universidad/presentacion/como_llegar_rectorado.shtm). Dort erhält man zunächst eine vorläufige Immatrikualtionsbescheinigung, einen Stadtplan sowie eine Mappe mit allen wichtigen Ansprechpartnern und natürlich der Wohnungsliste. Damit man zukünftige Vermieter telefonisch erreichen kann, empfehle ich eine Prepaid-Karte für das Handy zu kaufen. Yoigo bietet sehr gute und faire Tarife ohne Mindestumsatz. Für den Vertrag benötigt man einen Personalausweis.
Im ERASMUS-Büro wird auch vermerkt, in welcher Fakultät man eingeschrieben ist und welche Ansprechpartner für das Learning-Agreement wichtig sind. Um mit anderen Studenten und Ansprechpartner in Kontakt zu kommen, habe ich das Social Network „Facebook" (www.facebook.com) genutzt. Dort gibt es Gruppen wie „ERASMUS Alcalá de Henares" etc., wo man wichtige Hinweise für das Einleben erhält.


Weiterhin können die Studenten auch in der Alcalingua-Sprachschule an einem Sprachunterricht nach einem Eingangstest teilnehmen, dieses habe ich jedoch nicht wahrgenommen, da ich bereits Vorkenntnisse hatte.


Das ERASMUS-Büro für die Romanisten befindet sich in der Fakultät Filosofía y Letras (http://www.uah.es/filosofiayletras/index.asp). Nachdem man seine „Tarjeta Inteligente" (Smart-Card) per Post erhalten hat (Immatrikulationsbescheinigung), kann man sich dort in der Informatik-Aula seinen WLAN-Zugang einrichten lassen oder ggfs. die vorhandenen Computer nutzen. WLAN ist in allen Fakultäten frei verfügbar.


In jeder Fakultät stehen den Studenten eine Informatik-Aula, eine Bibliothek sowie eine Auflade-Station für die Smart-Card zur Verfügung. Die Karten müssen beispielsweise für das Ausdrucken in der Informatik-Aula, aufgeladen werden. Weiterhin stehen den Studenten die sog. „Reprografías" (Copy Shop der Universität) zur Verfügung. Dort hinterlegen die Professoren ggfs. Manuskripte, man kann dort Bücher kopieren lassen oder Kopierkarten für die zahlreichen Kopierer erhalten.


Nachdem man seinen Stundenplan erstellt hat, bietet die Universität den ERASMUS-Studenten Probewochen an, in denen man seine Kursentscheidung festlegen kann. Die Probewochen enden i.d.R. in der ersten Oktoberwoche und sollten der endgültige Stundenplan festgelegt und im Learning –Agreement fixiert sein.


Die Universität in Spanien unterscheidet sich zu deutschen Universitäten dadurch, dass die Klassenstärken sehr viel kleiner sind. So hat man teilweise nur mit ca. 5 bis max. 50 anderen Studenten Vorlesungen. Dieses bietet eine privatere Arbeitsatmosphäre und einen engeren Kontakt zum Professor. Generell sind die Professoren immer über den Emailkontakt erreichbar und beantworten die Fragen der Studenten. Jeder Professor verlangt von seinen Studenten sogenannte „Fichas", diese enthalten alle relevanten Informationen über den Studenten (Bild, Alter, Studiengang, bisherige Prüfungen, Ziele…). Die Fichas erhält man beispielsweise in der Fakultät Filosofía y Letras an der Information.
Jeder Professor entscheidet individuell, ob er ein Skript veröffentlicht, einen Internet-Blog nutzt oder eine Pflichtlektüre voraussetzt. Bücher sind entweder in den einzelnen Fachbibliotheken mit der Smart-Card ausleihbar oder im Buchladen (http://www.libreriadiogenes.com/) in Alcalá de Henares erhältlich. In der Regel versuchen die Professoren die Sprachschwierigkeiten der ausländischen Studenten insbesondere bei den Prüfungen zu berücksichtigen, jedoch sollte man auf regen Kontakt zu dem Professor achten und ihn ggfs. darauf hinweisen, dass man Auslandsstudent ist.


Alltag/Freizeit:
Im Tourismusbüro am Plaza Cervantes erhält man einen Informationsflyer über zahlreiche kulturelle monatliche Angebote in Alcalá de Henares. Mein Highlight war die Semana Cervantina (http://www.lacallemayor.net/dyn/turismo/eventos/semana-cervantina/) mit dem mittelalterlichen Markt. Weiterhin ist eine Besichtigung des TORRE DE SANTA MARÍA lohnenswert, da man bis nach Madrid sehen kann und interessante Informationen zu Alcalá de Henares erhält. Eine Anmeldung ist vorab im Tourismus-Büro notwendig.


Alcalá ist durchaus vielseitig, muss aber Schritt für Schritt entdeckt werden. Eine Besonderheit sind unter Anderem die vielen kleinen klassischen Tapas-Bars, in denen man zu jedem Getränk frei Tapas gereicht bekommt.


Sollte man einen Tapetenwechsel benötigen, bietet Alcalá de Henares eine gute Verkehrsverbindung nach Madrid.


Möchte man einen Ausflug nach Madrid machen, empfehle ich zum Beispiel die Besichtigung des Palacio Real an einem Mittwoch, da der Eintritt dann für EU-Bürger frei ist.


Zum Einkaufen eignen sich in unmittelbarer Nähe die Centros Comerciales Alcalá Magna und La Dehesa. Möchte man nicht direkt nach Madrid, aber eine größere Auswahl haben, empfehle ich das Einkaufszentraum La Gavía (mit der Renfe bis Vallecas, dann mit der Metro bis Las Suertes). Dort findet man auch IKEA, sollte es noch an Einrichtungsgegenständen für die Wohnung fehlen.


Verkehrsmittel:
In den Tabacco-Läden erhält man Bono-Karten (10 Fahrten) für den Bus zu einem günstigeren Tarif. Weiterhin lohnt sich bei vielen Fahrt nach Madrid, die Bono-Karte für die Renfe (Zugverbindung Alcalá de Henares-Madrid Atocha), die man entweder am Automaten oder am Schalter erhalten kann. Auch für die Metro in Madrid kann man diese Bono-Karten erwerben.


http://www.metromadrid.es/es/index.html (Cercanías)


Klima:
Bis Ende Oktober/Anfang November sind die Temperaturen teilweise bis 20° C und man kann sich über zahlreiche Sonnenstrahlen freuen. Im Dezember war es dann zeitweise sehr kalt mit Minusgraden und Schneefall, so dass sogar einmal Kurse aufgrund der Wetterverhältnisse ausgefallen sind, also warm anziehen im Winter!


Fazit:
Ich bin mit der Entscheidung eine Auslandssemester in Alcalá de Henares zu absolvieren sehr zufrieden. Natürlich hatte ich anfänglich Probleme – eine internationale WG, unterschiedliche kulturelle Hintergründe, Orientierungshürden und ein wenig Heimweh, aber dieses hat sich bald gelegt und rückblickend habe ich jeden Tag genossen.


Ich konnte durch das Zusammenleben mit Spaniern sehr viel über deren Kultur und Einstellungen erfahren, die mich positiv aber manchmal auch negativ überrascht haben. Die Spanier sind sehr freundlich und wenn man selbst die Initiative ergreift, sind sie hilfsbereit und offenherzig.


Positiv ist mir aufgefallen, dass man sowohl in Alcalá de Henares als auch im Umkreis auf Spanisch angesprochen wird und nicht wie in den typischen Tourismus-Orten auf Englisch. So konnte man sein Spanisch stets anwenden und verbessern und Selbstbewusstsein im Sprachgebrauch aufbauen.


Während des Auslandssemesters sollte man versuchen sich der spanischen Kultur anzupassen, auch wenn das manchmal heißt, dass das Mittagessen erst um 15:00 Uhr beginnt und das Abendessen teilweise bis in die Mitternachtsstunden dauern kann.


Das Studium in Alcalá de Henares war für mich eine Bereicherung.
Insbesondere der starke persönliche Kontakt zu den Professoren und die ständige Erreichbarkeit bei Fragen waren für mich positive Erlebnisse. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass es je nach Professor sehr unterschiedliche Leistungsansprüche an die Studenten gibt und dass die Kurse teilweise vom Niveau nicht mit Kursen an deutschen Universitäten vergleichbar sind. Aufgrund der anfänglichen Sprachhürde war mein Arbeitspensum jederzeit vollkommen ausgelastet.


Durch das Auslandsstudium konnte ich über mich hinauswachsen und meinen Horizont erweitern. Ich habe Freunde und Erfahrungen gewonnen, die mich immer begleiten werden und konnte vielleicht auch ein wenig von unserer Kultur vermitteln.


Als Verbesserung möchte ich vorschlagen, dass die Gasthochschule für die Studenten versucht, Paten zu organisieren, die als Ansprechpartner dienen können und den Studenten das Einleben erleichtern können. Des Weiteren kann das dazu dienen, einen Kontakt zu Spaniern herzustellen, um zu vermeiden, zu viel mit anderen ausländischen Studenten zu unternehmen.